In unbekannten Gewässern: So tickt Österreichs größter Donauhafen
Der Hafen Freudenau ist für viele Wiener unerforschtes Terrain. Dabei ist er für die Versorgung Wiens enorm wichtig. Ein Lokalaugenschein zwischen Kränen und Containern.
Wer den Freudenauer Hafen erklären will, der kommt nicht ohne kurios anmutende Vergleiche aus. „Der Kran hier kann bis zu 84 Tonnen heben. Das entspricht in etwa 17 Elefanten“, sagt Patrick Uchatzy.
Er ist einer der Mitarbeiter, der (wenn nicht gerade Lockdown ist) Führungen durch den größten öffentlichen Donauhafen Österreichs organisiert. Dabei geht es um Dimensionen, die man sich als Laie kaum vorstellen kann. In Elefanten zu denken, hilft zumindest ein bisschen.
Der Freudenauer Hafen ist eine verborgene Welt. Das liegt nicht nur daran, dass die Logistik-Vorgänge auf dem Gelände zwischen Prater und Praterspitz ein bisschen kompliziert sind.
Sondern es hat auch damit zu tun, dass der Zutritt verboten ist. Ein Spaziergang über das Areal wäre gefährlich: Hier, wo der Donaukanal in die Donau mündet, werden tonnenschwere Lasten durch die Luft gehievt, überall kurven Lastwagen und Stapler herum.
Für Wiens Bewohner und Wirtschaft hat dieses Treiben enorme Bedeutung: Viele Waren, die in der Stadt angeboten oder verarbeitet werden, werden hier „umgeschlagen“, wie man im Hafen sagt. Soll heißen: Sie kommen in der Freudenau an, werden umgeladen und an ihren Bestimmungsort transportiert. Oder, umgekehrt, von Wien in die Welt geschickt.
Allerdings: Den Wasserweg – und das wirkt auf den ersten Blick etwas absurd – nimmt nur ein kleiner Teil der Güter. Insgesamt hat der Hafen Wien 2019 rund 3,4 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen – lediglich 35 Prozent davon mit Schiffen.
Schüttgut nimmt Schiff
Diese bringen vor allem Schüttgüter, weil sie die günstigste Transportoption dafür sind. „Dazu gehören Streusalz, Stahl oder Schrott“, sagt Doris Pulker-Rohrhofer, die mit Fritz Lehr die Geschäfte des Hafens führt.
Ebenfalls unter Schüttgut zu subsumieren: Jenes Getreide, das gerade mit einem Schiff aus Rumänien angekommen ist. Ein Bagger schaufelt die Körner vom Laderaum auf einen Lastwagen.
Regelmäßiger als am Freudenauer Hafen wird Getreide drei Kilometer flussabwärts verladen: Der Alberner Hafen ist der Hauptumschlagplatz dafür. Der dritte Güterhafen Wiens ist der Ölhafen Lobau: Dort werden Mineralölprodukte umgeschlagen. Diese werden, wie das Schüttgut, häufig mit dem Schiff transportiert.
Alle drei Häfen gehören zur städtischen Wien Holding. Rund drei Quadratkilometer messen die Areale gesamt – „deutlich mehr als Monaco und etwas weniger als der Central Park“, sagt Guide Uchatzy.
Unberechenbare Wasserstraße
Dass der Anteil des Güterumschlags per Schiff nicht höher ist, hat mit drei Faktoren zu tun. Erstens: Der Transport auf dem Wasser dauert lange. Zweitens: Die schwankenden Pegelstände der Donau machen ihn zu einem unsicheren Unterfangen, weil dadurch Schiffe aufgehalten werden können. Und drittens: Das Schiff zu nehmen, rechnet sich nur bei großen Gütern, die in Donaunähe produziert werden.
Das alles führt dazu, dass die Bedeutung der Donau als Frachtweg überschaubar ist. So kommt es, dass 40 Prozent der Waren am Hafen Wien per Lkw und 25 Prozent per Bahn umgeschlagen werden.
Das geht nicht ohne die drei jeweils rund 25 Meter hohen Portalkräne. Sie befinden sich am Freudenauer Containerterminal: Dieser besteht aus einem Lagerplatz für leere Container und vielen Schienen.
Container kommt mit Zug
Auf einem der Gleise steht ein mit Containern beladener Zug. Elf Meter darüber sitzt Kranfahrer Thomas Heindl in einer Kabine mit durchsichtigem Boden. „Höhenangst darf man jedenfalls nicht haben“, sagt er.
Auf sein Kommando verhaken sich die Greifer des Krans in den Aussparungen eines Containers und heben ihn von dem 650 Meter langen Zug. Daneben warten schon Lastwagen darauf, beladen zu werden. 7.000 Container pro Woche werden so abgefertigt.
Die Züge kommen vor allem von den nordeuropäischen Seehäfen – allesamt bedeutende Handelsplätze der Weltwirtschaft: Der Großteil startet in Hamburg, einige in Rotterdam, manche in Bremen.
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Hunger nach Chips
Wegen Corona wurden im vergangenen Jahr besonders viele Chips (von der Kellys-Fabrik in der Donaustadt), Toilettenpapier und Masken umgeschlagen.
Vor dem zweiten Lockdown im November haben so manche Händler noch rasch ihre Lager aufgefüllt, sagt Terminal-Geschäftsführer Harald Jony: „Da kam zum Beispiel besonders viel von Ikea aus Istanbul.“
Den Hafen hat die Krise nur wenig getroffen: Genaue Geschäftszahlen werden zwar noch nicht verraten, man erwarte aber ein „ähnlich gutes Jahr wie 2019".
Das freut Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ): Einbußen aus dem Logistik-Geschäft habe man mit Mieteinnahmen ausgleichen können, sagt er.
In der Freudenau sind mehr als 100 Logistik Firmen angesiedelt. Außerdem habe sich ein neues Geschäftsfeld aufgetan: Fluss-Kreuzfahrtschiffe überdauern die Pandemie im Hafen: „Das ist sehr lukrativ.“
Hafentore schützen
Damit derartige Schiffe vor den Launen der Donau geschützt sind, hat der Freudenauer Hafen vor mehr als zehn Jahren ein massives Tor aus Stahl bekommen: Bevor ein Hochwasser Wien erreicht, wird das Becken damit abgedichtet.
Und auch der Warenumschlag kann so unbeeinträchtigt weiterlaufen. Ein derartiges Tor wird jetzt auch am Alberner Hafen gebaut, man ist etwa bei der Halbzeit: Anfang 2022 soll die riesige Schiebetür fertig sein – sie wiegt rund 250 Tonnen.
Das entspricht, wie man Besuchern sagen würde, dem Gewicht von vier Blauwalen.
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