In U-Haft gequält: Komplizen fassten Haftstrafen aus

In U-Haft gequält: Komplizen fassten Haftstrafen aus
Nach Vergewaltigung in U-Haft: Opfer, 14, wird erst später wegen Raubes angeklagt. Freunde wurden verurteilt.

Zwangsläufig kam auch sein Name ins Spiel. Jener des 14-Jährigen, der in der U-Haft in Wien mit einem Besenstiel vergewaltigt und gequält worden sein soll.

Am Montag wurde das erste Kapitel in dem Justizskandal aufgeschlagen – wenn auch nur indirekt. Es ging um jenen Raub an einem Pensionisten, der den 14-Jährigen und zwei weitere Burschen in U-Haft gebracht hat. Beteiligt war noch ein (allerdings strafunmündiger) Zwölfjähriger.

Es war der erste von zwei Prozessen, denn der 14-Jährige wird aus gesundheitlichen Gründen erst später angeklagt.

Vor einem Schöffensenat am Straflandesgericht mussten sich Mario P.*, 15, und Markus K.*, erst seit neun Tagen 18, verantworten. Fast drei Monate U-Haft haben sie am Buckel, zusätzlich schleppen sie noch einen Berg an persönlichen Problemen mit, der sich seit ihrer Kindheit aufgestaut hat. P. über seinen Vater: „Derzeit ist er wieder im Gefängnis.“ P. wohnt in einer Wohngemeinschaft, weil seine Mutter nicht mit ihm zurechtgekommen ist. Beide sind in psychiatrischer Behandlung. K., weil er misshandelt wurde.

Der Sachverhalt ist schnell erklärt. Am 29. April dieses Jahres wurde K.s Großvater begraben, und der Bursche erbte ein Fixier- und ein Springmesser. „Mach’ damit keinen Blödsinn“, mahnten die Eltern. Vielleicht hätte K., ein Mitläufer-Typ, das beherzigt, doch P. hatte andere Pläne: „Wir haben kein Geld. Machen wir halt einen Überfall.“

Durchdacht war das nur in den Grundzügen: Zwei sollten Schmiere stehen, zwei andere den Raub durchziehen.

Ein erster Versuch in der Marxergasse scheiterte. Die beiden Angeklagten lauerten in einem Stiegenhaus einem potenziellen Opfer auf. Als eine Pensionistin eintrat, warf Markus K. die Nerven weg. Er brachte nur ein „Grüß Gott“ heraus. Das Messer ließ er in der Hosentasche.

„Geld her“

Der nervenschwache K. wurde ausgetauscht – durch den 14-Jährigen. Der zweite Versuch fand wenige Meter weiter statt: Roman H.*, 73, füllte gerade seinen Parkschein aus, als Mario P. mit gezücktem Messer vor ihm stand. „Geld her oder wir können das anders regeln!“, sagte er. Der 14-Jährige soll hinter P. gestanden sein.

Der Senior schlug sie mit nur einem Satz in die Flucht: „Wir können das sofort regeln. Um die Ecke steht die Polizei.“ Das Quartett lief davon. „Ich war nicht sehr verschreckt“, erklärte das Opfer, denn die Messer seien nicht ganz arretiert gewesen.

P. fasste 20 Monate Haft, davon drei unbedingt, aus; K. 17 Monate und drei unbedingt (nicht rechtskräftig). Beide dürfen unter der Auflage, eine Therapie zu absolvieren, in acht Tagen heim. Sehen sie das „als Chance“, sagte die Jugendrichterin.

Dieselbe Richterin sorgte am Montag mit einem Ausspruch für Aufregung (siehe Bericht unten). (*Name geändert)

Eine zynische Bemerkung in Bezug auf die jüngsten Vorfälle im Jugendgefängnis - ein 14-Jähriger wurde mit einem Besenstiel vergewaltigt - lieferte Richterin Daniela Zwangsleitner am Montag im Wiener Landesgericht. Beim Prozess ging es um Stalking unter Jugendlichen. Weil er seine Freundin nach der Trennung bis zu 86-mal an einem Tag angerufen hat, musste sich ein 19-Jähriger am Wiener Straflandesgericht verantworten. Der Prozess endete mit einer Verurteilung von sechs Monaten bedingt, weil er die Frau - mittlerweile Mutter des gemeinsamen Kindes - im Alkoholrausch geschlagen und getreten hatte. Wegen Stalkings wurde er nicht verurteilt, weil sich die 23-Jährige der Aussage entschlug. "Das nächste Mal gehen sie in U-Haft", drohte die Vorsitzende zum Schluss, "und sie haben sicher in der Zeitung gelesen, dass es da für junge Leute nicht sehr nett ist."

"Sie brauchen ein Geständnis wie einen Bissen Brot", appellierte Richterin Daniela Zwangsleitner davor an die Redefreudigkeit des 19-Jährigen. Doch der blieb kleinlaut, bestritt seine Ausraster, weil er sich aufgrund schwerer Alkoholisierung nicht mehr daran erinnern habe können, und gab an, zu solchen Gewalttaten gar nicht fähig zu sein.

Richterin Zwangsleitner verkündete nach etwa einer dreiviertel Stunde das Urteil: Sechs Monate bedingt auf drei Jahre wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung, dazu verordnete sie eine Anti-Gewalt-Therapie und stellte dem 19-Jährigen einen Bewährungshelfer zur Seite. "Ich trinke schon seit einem halben Jahr nichts mehr, ich hab jetzt ein Kind, da sieht man die Welt mit anderen Augen", gelobte dieser Besserung.

Zunehmende Gewalt im Jugendhäf'n

Die vor Kurzem bekannt gewordene Vergewaltigung eines 14-jährigen Buben in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ist leider kein Einzelfall. Solche Gewalt-Exzesse im Gefängnis sind laut Experten an der Tagesordnung. Schon 2010 warnten die Wiener Jugendrichter Beate Matschnig und Norbert Gerstberger offenbar ungehört vor der zunehmenden Gewalt in den überbelegten Zellen, in denen vier und mehr Jugendliche oft bis zu 22 Stunden durchgehend sich selbst überlassen bleiben. Es häuften sich Prozesse gegen junge Straftäter, die 14-, 15-jährige Zellengenossen – ganz genau wie jetzt – mit Besenstielen malträtiert und sie gezwungen hatten, Urin zu trinken. Auch damals schon beklagten die Richter, dass Sozialpädagogen für die jungen Häftlinge fehlten, die seit der Schließung des Jugendgerichtshofes (im Jahr 2003) im Erwachsenen-Untersuchungsgefängnis untergebracht sind. Der KURIER berichtete darüber ausführlich.

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