Imagewandel am Skateboard: Die Emanzipation der Asphaltsurfer
Mit der einen Hand spielen Clara Köberl und Moritz Bohunovsky Schere, Stein, Papier. In der anderen halten sie ihre Skateboards. Die beiden Schüler stehen (einen Tag vor Inkrafttreten des Oster-Lockdowns und der FFP2-Maskenpflicht) zwischen den beiden weiß-gold-grünen Otto-Wagner-Pavillons am Karlsplatz.
Schere schlägt Papier. Der Gewinner darf anfangen zu skaten. Und damit fängt das richtige Spiel erst an.
Es heißt „S.K.A.T.E“ – dabei geht es ums Können: „Wenn man einen Trick nicht schafft, bekommt man einen Buchstaben“, sagt Clara. „Wer zuerst alle fünf Buchstaben hat, verliert das Spiel“, sagt Moritz. Und so rollen und klappern die beiden vor den schmucken Gebäuden herum.
Auf der Fläche kann man nicht nur die Skater bei ihren Tricks beobachten, sondern kann auch den Wandel der Szene sehen: Es sind Jugendliche, auch Mädchen, die hier ehrgeizig vor sich hin trainieren. Und auch ältere Semester interessieren sich zunehmend für den Sport. Das Bild vom gleichgültigen Skater mit tief sitzender Hose ist also längst überholt.
Skateboard-Trend
Die Stadt als Spielwiese
Clara, Moritz und die anderen jungen Leute haben sich die Fläche zwischen den Pavillons einfach genommen: Sie haben daraus einen „Do-it-yourself-Skateplatz“ gemacht. Die Hindernisse werden vom Ersten, der in der Früh kommt, aufgestellt. Der Letzte räumt sie wieder weg. „Das funktioniert super“, sagt Clara.
Von Spot zu Spot
Da gibt es das Rohr (Flatrail) oder einen nachgebauten Randstein (Slappy-Curb) – die Teile heißen, wie sie aussehen. Skater würden wie eine Familie zusammenhalten, so Moritz. Auch hier oben, auf dem „Do-it-yourself-Platz“. Eigentlich könne man die ganze Stadt als Skaterpark nutzen, sagt er. Und genau das passiert derzeit, wegen der Pandemie.
Die Bowls erinnern aber auch an die Ursprünge des Skates: In den 60er und 70er Jahren wollten kalifornische Surfer, also Wellenreiter, auch am „Asphalt“ surfen mit einem Brett auf Rollen unter den Füßen. Die Regierung verbot jedoch das Fahren auf der Straße. Zusätzlich verordnete wegen einer Dürre die kalifornische Regierung an damals, das Wasser in den runden Pools einzusparen. Das leeren Swimmingpools wurden so zu den ersten „Halfpipes“ (zu deutsch: halbe oder durchgeschnittene Röhre).
„Skaten ist ein Lifestyle, gemeinsam fährt man von Spot zu Spot“, sagt Clara. „Spots“, das sind Orte zum Skaten. Unterschieden wird zwischen Streetskating-Spots (wo man, wie am Karlsplatz, über Hindernisse springt) und solchen zum Bowl-Skaten. Bowls, das sind in den Boden eingelassene Becken.
Im Rudolf-Bednar-Park in der Leopoldstadt befindet sich eine solche Bowl. Es ist die Lieblingsbowl von zwei „alten Skaterfreunden“, wie sie selbst sagen: von dem 44-jährigen Uwe Ballon und dem 57-jährigen Hans-Peter Hutter. Ballon betreibt die Skateschule Skate4Fun, Hutter ist Umweltmediziner – und als solcher nicht erst seit der Corona-Pandemie, in der er regelmäßig als Erklärer der Hygieneregeln auftritt, einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die beiden Männer verfolgen die Entwicklung des Skatens schon lange – und auch den aktuellen Boom.
Der Sport sei gesellschaftstauglicher geworden, sagen sie. In der Pandemie berge das Skaten Vorteile, braucht man doch nur Schuhe und ein Brett. Und: „Die Distanz ist beim Skaten essenziell, auch ohne Virus“, so Hutter. Geskatet werde immer nacheinander – und nicht gleichzeitig.
Olympische Disziplin
Ballon gibt in seiner Skateschule Kurse für Kinder ab 3 Jahren – und für Erwachsene. Die Teilnehmer werden immer älter, sagt er. Seine Erklärung: Das Image des Skatens habe sich verändert. „Nicht nur weil Skaten 2021 in Tokio als olympische Sportart Premiere feiern soll“, sagt Ballon. Skaten habe nichts mehr mit Rebellentum zu tun.
Die 13-jährige Laia, die ihre Freizeit oft in der Bowl verbringt, kann kaum glauben, dass früher Mädchen beim Skaten eher zuschauten: „Boy oder Girl“ sei hier keine Frage, sagt sie. Ähnlich sieht das eine Maturantin am Karlsplatz. „Wir sind eine andere Generation“, sagt sie.
Dass jedoch die Eltern von Moritz und Clara aufs Brett steigen könnten, ist für die Gruppe unvorstellbar. Bei dem Gedanken müssen die Jugendlichen lachen. Kurz darauf kommt ein 40-Jähriger auf den „Do-it-yourself-Platz“. Ob er sich als Oldie fühle? Anmerken lässt er sich zumindest nichts: „Ich bin Chirurg und habe zwei Kinder. Skaten ist der perfekte Ausgleich“.
Am Karlsplatz, da spielen eben auch die Erwachsenen mit.
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