Großer Terrorprozess in Wien: "Im Koran steht, dass Töten erlaubt ist"
Bis jetzt kamen die Angeklagten im Alter von 22 bis 32 Jahren noch nicht zu Wort. "Viel haben Sie ja noch nicht gesagt. Das wird sich heute ändern", stellt auch der Vorsitzende Richter am Donnerstag Vormittag fest.
Dennoch: Es sind die ersten Schritte in einem Prozess, der wohl auf alle Fälle bis kommenden Februar dauern wird. Die Zuhörer sind - wie immer im Großen Schwurgerichtssaal - mit dem Problem der schlechten Akustik konfrontiert. Auch die Rechtsanwälte weisen schon zu Beginn darauf hin, dass der Angeklagte kaum zu verstehen ist.
Der Vermittler
Zuerst wird Adam M. (32) befragt. Er soll dem Attentäter die Waffen vermittelt haben. "Ich kannte Kujtim F. nicht. Aber gesehen habe ich ihn schon", sagt er. Er sollte "irgendjemanden" mit einem slowenischen Waffendealer bekannt machen. Über den Grund für den Kauf eines Schnellfeuergewehrs habe er sich keine Gedanken gemacht. "Sie müssen sich ja irgendwas denken", hakt der Richter nach.
"Der Attentäter kam zu mir. Er sagte mir, was er braucht - eine Kalaschnikow - und ich habe das dem Slowenen weitergesagt." Welchen Eindruck er von Kujtim F. gehabt habe? "Viele Muslime schauen so aus. Lange Haare. Normal angezogen."
Was er nicht sagt: Kujtim F. arbeitete im selben Security-Unternehmen wir er. "Aber dort sind 2.000 Leute. Ich habe ihn dort nie gesehen." Auch andere Angeklagte waren bei dem Unternehmen beschäftigt. Auch diese kenne er nicht.
Waffenübergabe
Die erste Waffenübergabe an Kujtim F. fand am 23. Juni 2020 statt. Der slowenische Waffendealer kam nach Wien. "Aber er wollte sich selbst nicht sehen lassen." Also habe Adam M. die Tasche mit der Waffe übergeben und ein Kuvert mit Geld (vermutlich 3.000 Euro) übergeben. "Ich wollte von diesem Geld nichts. Aber ich habe 500 Euro bekommen."
Bei einem anderen Mal wäre eine Pistole und Munition nach Wien gebracht und übergeben worden. Wieder habe Adam M. die Übergabe übernommen. Diesmal habe er kein Geld bekommen, sagt der Angeklagte.
Noch einmal beteuert er, sich keine Gedanken über den Grund für den Waffenkauf gemacht zu haben. "Sie übergeben einem Wildfremden eine Kalaschnikow, dann auch noch Munition und eine Pistole. Ihnen war es egal, was er damit macht", meint der Richter. "Nein, war es nicht", meint Adam M. Doch warum hat er nicht nachgefragt? "Das kann ich nicht beantworten. Aber das war der größte Fehler, den ich je gemacht habe. Leider kann ich das nicht rückgängig machen."
Auch viele Österreicher würden Waffen haben, meint der Angeklagte. "Ich glaube, so viele sind es nicht", kontert die Staatsanwältin. "Vor allem haben sie keine Kalaschnikow."
Der Häfn-Kumpane
Als Zweiter wird der 22-jährige Ishaq F. befragt. Er kannte den späteren Attentäter aus Kindheitstagen. "Wir haben gemeinsam Fußball gespielt."
Ishaq F. wurde bereits zwei Mal einschlägig verurteilt. Er hatte IS-Propaganda geteilt und für die Terrororganisation angeworben. Heute im Gericht nennt er den IS eine "Mörderbande". Als er in Wien-Josefstadt in Haft saß, schrieb ihn Kujtim F. auf einem illegalen Handy an. "Er wollte wissen, ob ich jemanden kenne, der eine Kalaschnikow verkauft", sagt der 22-Jährige.
Er stellte den Kontakt zu Adam M. her. Ishaq F. erklärt, sich sehr wohl Gedanken darüber gemacht zu haben, wofür Kujtim F. die Waffe braucht. "Er hat mir gesagt, er will sie weiterverkaufen. So lange er keine Munition hat, kann er damit keinen Schaden anrichten, dachte ich mir."
"Für Neuigkeiten sorgen"
Doch alte Aussagen widersprechen dem. Kujtim F. soll ihm geschrieben haben: "Ich werde für Neuigkeiten sorgen. Wenn ich rauskomme, werde ich einen Anschlag machen." Konkret: Am Stephansplatz.
Ishaq F. rudert zurück. Er habe das von einem Dritten erfahren, nicht vom späteren Attentäter. Und: "Im Gefängnis redet jeder so viel Schwachsinn." Ihm sei die radikale Einstellung des Kindheitsfreundes bekannt gewesen. "Aber Kujtim hat die Anschläge in Europa verurteilt."
Bei seiner Festnahme fragte ihn die geschockte Mutter: "Sohn, was hast du getan?" Das steht im umfangreichen Akt. Und ebenso die Antwort: "Mama, ich habe nichts gemacht. Ich habe damals schon gesagt, dass Kujtim einen Anschlag machen möchte. Aber niemand hat es gehört."
Vor Gericht will sich der Angeklagte als geläutert zeigen. Er habe mit dem IS gar nichts zu tun. Er habe in Haft auch mit Leuten zu tun gehabt, die Schweinefleisch gegessen hätten, erklärt er. Auf dem Handy des 22-Jährigen wurden allerdings jede Menge radikaler Nasheeds gefunden. Die Texte lauteten unter anderem: "Schlachte mit dem Messer!" Sie wurden nach dem Anschlag runtergeladen. "Ich weiß nicht, ob etwas radikal ist, bevor ich es nicht anhöre. Ich kann das nicht wissen", meint der junge Mann.
"Töten erlaubt"
In einem Chat schrieb der Mann auch: "Ich schäme mich nicht, dass meine Religion töten darf." "Das steht im Koran", sagt der Angeklagte. "Ich bin Muslim! Nicht Christ oder Jude!"
Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt.
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