Prediger des Wien-Attentäters vor Gericht
Der 24-Jährige macht kein Geheimnis daraus, wie er tickt. Der Mann mit dem Vollbart und den kurzen, schwarzen Hosen ist Anhänger des Salafismus. Die islamische Glaubensgemeinschaft lehnt er ab. In einer St. Pöltener Moschee hielt er Kurse. Doch der dortigen Moschee-Führung war er zu radikal. In seiner Wohnung trafen sich teils verurteilte Gleichdenkende. Darunter auch der Wien-Attentäter Kujtim F.
Der ehemalige IT-Ingenieur mit nordmazedonischer Staatsangehörigkeit muss sich seit heute im Landesgericht für Strafsachen in Wien verantworten. Nicht wegen eines Beitrags zum Attentat, bei dem vier Menschen starben - in dieser Sache laufen die Ermittlungen noch gegen ihn. Doch die Staatsanwältin wirft ihm vor, radikal-islamische Schriften übersetzt und vertrieben zu haben und in einer eigens angemieteten Wohnung in St. Pölten mit Predigten radikalisiert zu haben.
Auffällig wurde der junge Mann schon im Alter von 14 Jahren. Da meldete seine Schule beim Verfassungsschutz seine radikalen Tendenzen. Vier Jahre später gründete er die Bewegung Ansar und sprach Menschen auf der Straße an. "Um zu missionieren", wie die Staatsanwältin überzeugt ist. Medial bekannt wurde der Mann erstmals, als er in der St. Pöltener Uniklinik Islam-Unterricht gab. In einem Gerichtsverfahren wurde er damals im Zweifel freigesprochen.
Ein "Wissender"
Doch die Anklägerin ist überzeugt: Der junge Mann will ein religiöser Führer und Lehrer sein, ein "Wissender". "Er will die Lücke füllen, will der nächste dschihadistische Prediger in Österreich werden."
Dass der 24-Jährige reden kann, beweist er vor Gericht. Wortreich erklärt er seine Ansichten, unterstreicht sie mit Handbewegungen. Doch mit dem Islamischen Staat will er rein gar nichts zu tun haben. "Nicht schuldig", erklärt er.
Isolationshaft
Sein Verteidiger Sascha Flatz sieht die Anklage als völlig übertrieben. "Selbst wenn er ein Salafist ist, ist das nicht strafbar. Wir haben Religionsfreiheit." Sein Mandant befinde sich seit zwei Jahren in Isolationshaft. Nach zehn Monaten durfte ihn seine Familie erstmals besuchen. "Seit zwei Wochen darf er das Fenster öffnen."
Doch wie kam der Angeklagte zu seinen Ansichten. Seine Familie ist nicht gläubig. "Aber ab 2016 habe ich mich mit den Fragen des Lebens beschäftigt", erklärt der Angeklagte. So sei er zum Islam gekommen. "Das habe ich als Wahrheit empfunden." Vorbilder gab es angeblich keine. "Ich habe gegoogelt", erklärt der Mann.
Tausende Seiten aus den Ermittlungen
Die Ermittlungen über ihn füllen neun Bände. Der Richter liest aus Chats vor. In einem beklagt er sich über eine Moschee, die sich für das Wählen und gegen Terrorismus ausspricht. "Sobald man dort einen Bart trägt oder gekürzte Hosen, gilt man schon als Terrorist", erklärt der Angeklagte.
Der Prozess ist für drei Tage angesetzt. Als Sachverständiger wird der IS-Experte Guido Steinbach zu Wort kommen. Zudem werden einige Beschuldigte im großen Terror-Verfahren als Zeugen gehört. Ihre Verhandlung startet in der kommenden Woche. Sie sollen den Wien-Attentäter unterstützt haben.
Kommentare