Terrorprozess in Wien gestartet: "Präsentieren sich wie Klosterschüler"

ANSCHLAG IN WIEN: AUFTAKT TERROR-PROZESS
Sechs Männer sollen Attentäter im Vorfeld tatkräftig unterstützt haben. Urteile nicht vor Februar 2023. Der KURIER berichtet live.

Ab heute wird am Landesgericht Wien ein Schwurprozess gegen mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien eröffnet, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Passanten getötet und 23 Menschen teilweise schwer verletzt hatte, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Angeklagt sind sechs Männer im Alter zwischen 22 und 32 Jahren. Sie waren laut Staatsanwaltschaft zwar nicht direkt am Terror-Anschlag beteiligt, sollen dem Attentäter im Vorfeld aber geholfen haben.

Urteile wird es frühestens im Februar 2023 geben.

Der KURIER berichtet während der Verhandlungstage live:

  • Wiener Terrorprozess startet: Was den angeblichen Helfern vorgeworfen wird (mehr)
  • Michael Ludwigs heikle Entscheidungen in der Wiener Terrornacht (mehr)
  • Terror-Nacht in Wien: "Lachend drehte sie sich um, dann war Vanessa tot" (mehr)
LIVE

Terror-Prozess in Wien

  • |Birgit Seiser

    Wir verabschieden uns aus dem Gerichtssaal

    Weitere Infos zum Prozess gibt es morgen im KURIER und natürlich hier, auf kurier.at. Wir verabschieden uns für heute. 

  • |Birgit Seiser

    Fortsetzung im Dezember

    Ihre Aussagen werden die Angeklagten aber erst ab 1. Dezember machen können, wenn der Prozess weitergeht. Die lange Wartezeit hat damit zu tun, dass der heutige Termin nur wegen der Berücksichtigung der U-Haft-Fristen eingehalten werden musste. Der Richter hat heute Verhandlungstermine bis 2. Februar fixiert.

    Einige der Zeugen wie eine Mutter und eine Lebensgefährtin von involvierten Personen werden dann von ihrem Recht Gebrauch machen und nicht aussagen. 

  • |Birgit Seiser

    Keiner bekennt sich schuldig

    Der Prozess geht für heute zu Ende. Der Vorsitzende richtet sein Wort noch einmal an die Angeklagten. Alle geben an, aussagen zu wollen. Drei bekennen sich teilschuldig, drei plädieren auf nicht schuldig. Die Schuld bezieht sich aber in allen drei Fällen nur auf die Beschaffung der Waffen und nicht auf die Beteiligung am Terroranschlag. 

  • |Birgit Seiser

    Erneut Kritik an Ermittlungen

    Mekis bezieht sich auf den Untersuchungsbericht von Ingeborg Zerbes, der Mängel und Pannen bei den Behörden im Vorfeld des Anschlags erkannt hat. "Wenn man eigene Fehlleistungen zu verdecken hat, wie objektiv man sein?", attackiert er die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsbehörden.

  • |Birgit Seiser

    Letzter Verteidiger für heute spricht

    Wolfgang Mekis vertritt Ishaq S. und startet gleich mit einer Bemerkungen in Bezug auf den Vortrag der Staatsanwältin, wonach die Beschuldigten wie Klosterschüler aussehen würden: "Außer dass der Mittelscheitel weg ist, hat er damals genauso ausgeschaut."
  • |Birgit Seiser

    Rassismus-Vorwurf

    Weil er damals einen Bart getragen habe, sei Adam M. ins Visier der Ermittler geraten. Außerdem seien die Standortdaten vom Handy ihres Mandanten falsch ausgewertet worden, beklagt Anwältin Wagner. Ihr Mandant sei nicht in der Wohnung vom Kujtim F. gewesen. "Er war in einem ganz anderen Sendemasten eingeloggt."

  • |Birgit Seiser

    Anwältin Astrid Wagner "Nicht schuldig"

    Die Verteidigerin vertritt Adam M. Er soll bei der Waffenbeschaffung geholfen haben. "Ihm geht es nicht gut. Er hat ein Gewissen und hadert. Er ist ein anstrengender Mensch und das Ganze geht ihm nahe", sagt Wagner.

  • |Birgit Seiser

    Pause

    Das Gericht legt eine kurze Mittagspause ein. Wir melden und wieder, wenn es weitergeht.
  • |Birgit Seiser

    Hedayatollah Z "kann nichts für seine Verwandten"

    "Hier wird versucht, die Fehlleistungen der Behörden im Vorfeld durch besondere Aktivitäten auszumerzen. Kujtim F. war eine tickende Zeitbombe", beginnt Kresbach.

    Hedayatollah hatte zuletzt bei dem späteren Terroristen gewohnt. Fünf von Hedayatollahs Cousins sind zum IS gegangen, vier davon in Syrien gestorben. Die ganze Familie ist als besonders radikal bekannt. Außerdem wurde DNA von Hedayatollah auf der Tatwaffe gefunden, es gab aber keine Fingerabdrücke. Der Anwalt meint, die DNA hätte sich indirekt übertragen. 

    Er zeichnet überhaupt ein völlig anderes Bild seines Mandanten: "Man will um jeden Preis Sündenböcke finden. Seine Familie ist damals vor den Taliban geflohen. Hedayatollah spricht perfekt Deutsch und studiert. Er kann nichts für seine Cousins, die in den IS gezogen sind. Ja, er hat Vorstrafen. Aber völlig andere", sagt der Verteidiger. Mit "völlig andere" meint er, dass er nicht im Zusammenhang mit Terrorismus vorbestraft ist. 

  • |Birgit Seiser

    Anwalt spricht Ungereimtheiten in Ermittlungsakten an

    Verteidiger Mayer kritisiert divergierende Angaben in den Ermittlungsakten bzw. der Anklageschrift. So soll Burka K. zum Beispiel um 15.15 Uhr bei Kujtim F. angekommen sein. Er soll aber auch dabei gewesen sein, als der um 15:13 Uhr das Le Salzgries anrief - das Lokal das sein ursprüngliches Terrorziel war. Burak sei laut seinem Anwalt auch nicht bei einem Dschihadisten-Treffen im Vorfeld oder beim Waffenkauf dabei gewesen. "März bis Juni war er in der Türkei", sagt Mayer und weiter: "Wenn er sein engster Freund ist, der ein Attentat plant, ist er ja da um zu helfen." Für den Verteidiger heißt das, dass "keine geschlossene Indizienkette vorhanden" sei.
  • |Birgit Seiser

    Jetzt kommt Rudolf Mayer, der Burak K. verteidigt, zu Wort

    Burak K. soll mit Kujtim F. schon die Reise zum IS nach Syrien geplant haben. Deshalb wurde er bereits verurteilt. Auch er soll dabei gewesen sein, als Ismail B. Stunden vor der Tat bei Kujtim F. war, um das Buch auszutauschen. Er ist derjenige, der immer noch Bart und langes Haar trägt. Merkmale, die IS-Sympathisanten oft tragen. 

  • |Birgit Seiser

    Nächster Verteidiger spricht: "Nur Jugendfreunde"

    Manfred Arbacher-Stöger vertritt Ismail B. "Die Staatsanwältin versucht hier drei verschiedene Puzzles zu einem Bild zu machen. Das kann nicht funktionieren", beginnt er. "Mein Mandant und der Attentäter waren Jugendfreunde. Sie sind im selben Wohnkomplex aufgewachsen. Dass seine DNA gefunden worden ist, ist möglich. Sie haben sich ja getroffen." 

    Ismail B. soll Stunden vor der Tat bei Kujtim F. in der Wohnung gewesen sein. Das bestreitet er. Kujtim F. habe ihn nicht reingelassen. Sie seien nur im Stiegenhaus gewesen, um ein ausgeliehenes Buch auszutauschen. "Aber das glaubt man ihm nicht", sagt der Verteidiger.

  • |Birgit Seiser

    Arijanit F. bekennt sich "nicht schuldig"

    "Mein Mandant bekennt sich nicht schuldig. Er war weder Mitglied noch Sympathisant des IS. Er hat nie mitgewirkt oder Kujtim F. unterstützt", sagt Anwalt Jodlbauer.
  • |Birgit Seiser

    Slowakei-Fahrt wird als Shopping-Trip beschrieben

    Arijanit F. habe mit Kujtim F. nur in die Slowakei zum Einkaufen fahren wollen. Erst wollte man eigentlich an die tschechische Grenze zur Excalibur-City fahren, das war den Männern aber dann zu weit weg, weswegen sie nach Bratislava gefahren sind. In einem Einkaufszentrum waren wegen Corona aber alle bis drei Geschäfte geschlossen. Arijanit F. sei dann genervt wieder nach Hause gefahren. Das Waffengeschäft habe ihn nicht interessiert.

  • |Birgit Seiser

    Verteidiger am Wort

    Nun starten die Verteidiger. Als erstes am Wort ist David Jodlbauer, er vertritt Arijanit F. Der junge Mann soll mit Kujtim F. in die Slowakei gefahren sein, um dort Munition für das Attentat zu besorgen. Anwalt Jodlbauer beschreibt seinen Mandante als ganz normalen Jugendlichen: "Mein Mandant ist in Liesing aufgewachsen. Da gibt es nicht viel. Er hat dort sein erstes Bier getrunken und hat dort Fußball gespielt. In seiner Jugend hat er sich auch mit Religion beschäftigt. In der Moschee gab es welche, für die war Religion alles im Leben. Das war ihm nicht sympathisch. Er ist lieber auf die Party gegangen als in die Moschee."

  • |Birgit Seiser

    Bekennervideo wird gezeigt

    Die Anwesenden im Gerichtssaal sehen jetzt das Bekennervideo das Terrorist Kujtim F. gemacht hat. Er zeigt seine Waffen. Die Staatsanwältin betont, dass es nur Glück war, dass nicht mehr Menschen in der Terrornacht ihr Leben lassen mussten. Der Anklagevortrag nähert sich dem Ende: "Die sechs Angeklagten haben im Ermittlungsverfahren stets geleugnet, etwas von den Plänen gewusst, oder Kujtim F. unterstützt oder geholfen zu haben. Doch es gibt eine Vielzahl an Beweisen und Indizien."

  • |Birgit Seiser

    Rekonstruktion der Terror-Route

    Jetzt geht es um die Kalaschnikow, die der Terrorist Kujtim F. benutzt hat. Zwei der Angeklagten sollen bei der Beschaffung geholfen haben. Verwendet man die Waffe richtig, kann sie 620 Schuss pro Minute abgeben, Kujtim F. hatte aber auf Einzelschuss anstatt auf Dauerfeuer eingestellt. Die Staatsanwältin geht jetzt die Route des Terroristen nach. Das hat auch der KURIER gemacht. Das Video dazu gibt es hier: 

  • |Birgit Seiser

    Angeklagter trägt immer noch IS-Merkmale

    Nun geht die Staatsanwältin die Vorwürfe gegen die Angeklagten durch. Burak K. trägt immer noch Bart und lange Haare, Merkmale durch die Anhänger der IS ihre Zugehörigkeit zeigen. Die Staatsanwältin spricht das an: "Er ist der einzige, der noch so aussieht wie damals. Alle anderen präsentieren sich heute hier wie Klosterschüler." Fünf der sechs Angeklagten waren den Behörden schon vor dem Anschlag als IS-Sympathisanten bekannt.
  • |Birgit Seiser

    Vorwurf: Mord

    Die Staatsanwältin beginnt ihren Vortrag emotional, nennt die Namen der vier Todesopfer der Terrornacht: "Nedzip V, 21. Vanessa P. 24; Gudrun S. 44; Quiang L. 39" Den Angeklagten werden die terroristischen Straftaten des Mordes, der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation vorgeworfen. Der Vorwurf des Mordes steht im Raum, obwohl sie nicht direkt bei dem Terroranschlag dabei waren, aber im Vorfeld dazu beigetragen haben sollen. Der Strafrahmen dafür ist lebenslang. Nur zwei der Angeklagten waren zum Zeitpunkt des Anschlags noch junge Erwachsene. Ihr maximaler Strafrahmen beläuft sich auf 20 Jahre. 

    "Enthauptungen und Folterungen stehen beim IS an der Tagesordnung. Nicht nur der Attentäter, auch jeder einzelne Angeklagte war Anhänger dieser Ideologie", setzt die Staatsanwältin fort. 

  • |Birgit Seiser

    Anklagevortrag startet

    Um 10.27 Uhr beginnt die Staatsanwältin mit dem Anklagevortrag. Sie richtet ihre ersten Worte an die Geschworenen: "Sie haben sicher sehr viel über den Terroranschlag gehört und gelesen. Jetzt sind Sie als Richter auserwählt, über die schuld der sechs Angeklagten zu entscheiden. Sie wissen sicher noch, was Sie an diesem Abend des 2. November getan haben. Und wie Sie sich gefühlt haben. Ich erinnere mich an die bangen Stunden bis zur Entwarnung, die Unsicherheit und Fassungslosigkeit. An Angst und Panik, die ich verspürt habe." 

  • |Birgit Seiser

    Vorbestraft nach Terrorparagraph

    Der Richter geht die Generalien der Angeklagten durch. Vier der sechs Männer sind vorbestraft, zwei davon einschlägig nach dem Terrorparagraph. Und es gibt eine weitere Besonderheit, die es in österreichischen Gerichtssälen sonst nicht gibt: Als die Geschworenen vereidigt werden, spricht sie der Richter mit Nummern an. So soll sichergestellt werden, dass sie absolut anonym bleiben.
  • |Birgit Seiser

    Die Verhandlung beginnt

    Der vorsitzende Richter betont noch einmal das strikte Film- und Fotoverbot. Auch der Ton darf nicht aufgezeichnet werden. Er sagt, dass auch kontrolliert werde, ob einer der anwesenden Medienvertreter während der Verhandlung sein Handy "zückt". Ein Vertreter eines Boulevard-Mediums wird wegen des Verbots bereits ermahnt. 

  • |Birgit Seiser

    Die Angeklagten werden hereingeführt

    Um 10.03 Uhr werden die Angeklagten in den Saal geführt. Zwei der Männer tragen einen dunklen Anzug. Sie verstecken ihre Gesichter nicht, weil im Saal ein Foto- und Filmverbot herrscht. Das hat auch eine Besonderheit zur Folge, die es in Österreich schon seit Jahren nicht mehr gab: Im Saal ist ein Gerichtszeichner anwesend, der die Verhandlung festhalten wird. 

    Auch die Geschworenen und die Richter sind schon im Saal. 

  • |Birgit Seiser

    Onkel von Opfer mit Anwalt eingetroffen

    Der Gerichtssaal ist geöffnet und gut gefüllt. Neben der Justizwachebeamten, die Sturmhauben tragen und der Polizei, ist auch der Verfassungsschutz da. Die Sicherheitsvorkehrungen sind extrem hoch. Gerade betritt auch der Onkel des ersten Terror-Todesopfers Nedzip V. den Saal. Er wird von Anwalt Mathias Burger begleitet. 

  • |Birgit Seiser

    Großer Medienandrang im Gerichtssaal

    Um 10 Uhr soll der Prozess starten. Eine halbe Stunde vorher sind Dutzende Medienvertreter gekommen und müssen durch die verschärften Sicherheitskontrollen gehen, um in den Gerichtssaal zu kommen. Der Tag beginnt mit Chaos. Eine Journalistin öffnet unabsichtlich eine Tür eines Notausgangs und löst so den Alarm aus. 

  • |Kevin Kada

    Michael Ludwigs heikle Entscheidungen in der Wiener Terrornacht

    Der Wiener SPÖ-Bürgermeister erzählt im KURIER-Interview, wie er den Abend des 2. November 2020 erlebt hat.

  • |Kevin Kada

    Wiener Terrorprozess startet: Was den angeblichen Helfern vorgeworfen wird

    Ab Dienstag stehen die mutmaßlichen Helfer des Attentäters von Wien vor Gericht. Ein umfassender Blick zurück auf die Tatnacht, auf Täter, Opfer und die Folgen. Mit Video-Reportage.

  • |Kevin Kada

    Kexin Li verlor bei Terror in Wien Vater: Die Lücke lässt sich nicht schließen

    Der Jahrestag des Anschlags wird für die junge Frau und ihre Familie eine psychische Herausforderung. Doch verstecken will sie sich nicht.

  • |Kevin Kada

    Guten Morgen

    Der KURIER wünscht Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Ehe dann unser Gerichtsreporter-Team, Michaela Reibenwein und Birgit Seiser, übernimmt, darf ich Sie mit den aktuellsten Geschichten rund um den heute startenden Terror-Prozess versorgen.

    Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Dienstag und bedanken und schon jetzt fürs mitlesen.

Kommentare