Belvedere: Jobverlust nach Kritik an Gender-Texten
Von Christian Mayr
Keine Benachteiligungen, wenn man Texte nicht gendert oder Kritik daran übt – das wurde bisher stets von Schulen, Universitäten und anderen Institutionen beteuert.
Dass man allerdings sogar seinen Job verlieren kann, wenn man (sanfte) Kritik an „holprigen Gender-Texten“ übt, beweist ein dem KURIER vorliegender Fall. Weil die Betroffene weiblich und über 50 ist, Migrationshintergrund hat und es noch dazu um eine Dienststelle der Republik Österreich geht, ist die Causa ganz besonders brisant.
Die gebürtige Tschechin Michaela Gebertova arbeitet seit Dezember in der Österreichischen Galerie Belvedere als Aufseherin. Das Unheil nahm seinen Lauf, als sie Ende Jänner als Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund für ein Marketingvideo zum „Tag der Muttersprache“ ausgewählt worden war und daraufhin intern im kleinen Kreis wie folgt replizierte.
„Diese Aktion wird sicher gut ankommen. Gleichzeitig möchte ich aber anmerken, dass man auch die deutsche Sprache hegt und pflegt. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung wäre, dass man das Gendern abstellt. Viele Bildbeschreibungen und Texte (…) wirken aus diesem Grund milde gesagt holprig.“
Danach passierte zunächst lange nichts – ehe sie nach Ostern zu ihren Vorgesetzten bestellt wurde, wo es um ihren bis Ende April befristeten Vertrag als Teilzeitkraft ging. Zur völligen Überraschung von Gebertova wurde ihr dabei eröffnet, dass der Vertrag doch nicht unbefristet verlängert, sondern das Dienstverhältnis aufgelöst werde.
"Mit Mail ziemlich verärgert"
Und mit welcher Begründung? „Sie sagten mir, dass ich sie damals mit dem Mail ziemlich verärgert hätte und das Gender-Thema für sie sehr wichtig sei“, erklärt Gebertova gegenüber dem KURIER.
Und sie fügt hinzu: „Andere Gründe gibt es nicht. Ich bin immer pünktlich zum Dienst erschienen, war nur einen Tag im Krankenstand, es gab nie Beschwerden von Museumsbesuchern oder Supervisoren.“ Demzufolge gebe es in ihrem Personalakt auch keinerlei Verwarnungen oder Dienstverweise.
Die von Gebertova gemachte Anregung zur Gender-Sprache kommt freilich aus berufenem Munde, ist sie doch eine ausgewiesene Sprachkennerin: Deutsch beherrscht sie seit Jahren so perfekt, dass sie nebenbei als Übersetzerin (für Filmprojekte) arbeitet – und das auch noch für Englisch und Slowakisch.
Sie hat also die Sprache nach amtlichen Regeln gelernt und findet „eine Verhunzung des so schönen österreichischen Deutsch unmöglich“. Außerdem seien ihr immer wieder die Reaktionen so mancher Besucher aufgefallen, die sich über die gegenderten Texte mokiert und an den Kopf gegriffen hätten.
"Künstler*innen", "Maler*innen"
Tatsächlich verwendet das Belvedere den Genderstern, weshalb sich absurd anmutende Konstruktionen finden: Ferdinand Waldmüller wird als einer „der gefragtesten Künstler*innen in Wien“ bezeichnet; im Barock ist von „Maler*innen“ die Rede, andernorts von „Medienpartner*innen“.
Der neue Gender-Leitfaden von Bundeskanzler Karl Nehammer, der nunmehr amtlicherseits die Paarform statt Sonderzeichen in Wörtern vorsieht, findet ebenso keinen Widerhall wie die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung. Auch darauf beruft sich Gebertova intern, und teilt das für sie ungerechte Vorgehen Belvedere-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann per Mail mit – ohne Antwort.
„Ich habe in meiner Heimat 25 Jahre das kommunistische Regime erlebt und hätte mir nie träumen lassen, dass ich für eine Meinungsäußerung noch einmal solche Probleme bekomme“, kritisiert sie. Und ein ganz besonderer Hohn sei, dass dieses Bundesmuseum auf seiner Karriere-Seite zugleich mit Toleranz und Diversität werbe: Man begrüße alle Bewerbungen, ganz unabhängig auch von der „Weltanschauung“, heißt es dort.
Belvedere: „Nicht zutreffend“
Die Belvedere-Pressestelle teilt in einer knappen Stellungnahme mit, dass man sich aus Datenschutzgründen zu dem Fall nicht konkret äußern werde. Es könne „aber gesagt werden, dass die behaupteten Motive nicht zutreffen“. Die Nachfrage, welche anderen Gründe für den Jobverlust dann ausschlaggebend gewesen seien, zumal Gebertova eigentlich einer zu schützenden Personengruppe am Arbeitsmarkt angehört, wird nicht erwidert.
In den internen Mails wurde übrigens dem Gender-Motiv von den Vorgesetzten nicht widersprochen. „Generell dürfen wir festhalten, dass das Belvedere eine sehr offene Unternehmenskultur pflegt, in der ein sehr diverses und inklusives Team, mit Angehörigen aus über 30 Staaten, partnerschaftlich zusammenarbeitet. Feedback und inhaltliche Kritik sind dabei selbstverständlich.“
Gebertova will jedenfalls nicht aufgeben, Betriebsrat und Arbeiterkammer (AK) einschalten und sucht privaten Rechtsbeistand. „Weil ich mir nicht den Mund verbieten lasse“, sagt die Pragerin. Obwohl es sich um ein befristetes Dienstverhältnis handelt, könnte es laut Auskunft der AK-Wien aber doch Möglichkeiten geben, rechtlich vorzugehen. So könne etwa der „Grundsatz der Antidiskriminierung“ verletzt worden sein, eine Sozialwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit vorliegen, heißt es ganz allgemein zu dem Fall. Jedenfalls sei rasches Handeln notwendig, weil die Anfechtungsfrist „bei nur 14 Tagen ab Zugang der Kündigung“ liegt, so die AK.
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