Wo Flächenversiegelung Kunst ist: Belvedere zeigt Großformate

Wo Flächenversiegelung Kunst ist: Belvedere zeigt Großformate
Für die Schau „Kolossal“ wurden spektakuläre Bilder aus den Depots geholt. Bei der kuratorischen Aufbereitung gäbe es mehr herauszuholen

Als „immersive Erlebnisse“ werden seit ein paar Jahren Kunstwerke als Multimediashows aufbereitet, mit erstaunlichem kommerziellem Erfolg. Die Vermutung, dass das Belvedere mit seiner neuen Ausstellung an diesen Trend anschließen oder ihm etwas entgegensetzen wollte, weist Direktorin Stella Rollig aber von sich: „Immersiv – wir benützen dieses Wort eigentlich nicht“, sagt sie.

Mehr dazu: Wenn ein Gemälde nicht mehr reicht - der Boom "immersiver" Kunst

Es ist freilich nicht so, dass das Museum nichts vorzuweisen hätte, wenn es um Bilder geht, die ihre Betrachter sinnlich einhüllen und dabei auch Grenzen des gewöhnlichen, brav gerahmten Gemäldes überschreiten. Die Schau „Kolossal“ (bis 27. 8.) im Unteren Belvedere ist als Best-of-Parade dessen gedacht, was die Sammlung des für österreichische Kunst zuständigen Bundesmuseums dahingehend hergibt – aus allen Epochen, vom Barock bis heute.

Große Bedürfnisse

Damit tut sich allerdings ein Problem auf: Denn Bilder verlangen von ihrem Gegenüber unterschiedliche Verhaltensweisen. Manche wollen mehr in einer inhaltlichen Dimension erfasst werden, andere funktionieren zuallererst sinnlich – und natürlich unterscheiden sich die Zugänge bei gegenständlicher und bei abstrakter Malerei. Das bedeutet nicht, dass Werke aus unterschiedlichen Epochen und Stilen einander nichts zu sagen hätten. Doch damit dies passiert, braucht es sorgfältige Auswahl und Abstimmung, sprich Kuratierung.

Wo Flächenversiegelung Kunst ist: Belvedere zeigt Großformate

In der Belvedere-Schau bleibt die Rede vom „lebendigen Dialog zwischen historischer und zeitgenössischer Kunst“ leider pure Behauptung. Warum da am Eingang ein Barockgemälde des Hl. Franz von Assisi neben Albin Egger-Lienz’ „Totentanz“, Max Oppenheimers Hauptwerk „Die Philharmoniker“ (es zeigt Gustav Mahler als Dirigent des Orchesters) und einem Schüttbild von Hermann Nitsch zu hängen kommt, ist nicht wirklich zu erfassen. Auch wenn sich Verbindungen konstruieren lassen (das Barocke spielt bei Nitsch eine Rolle, ebenso die Musik), fühlt man sich allein gelassen mit der Frage, wie diese Bilder zu sehen sind.

Möglicherweise hat Ihr Rezensent verschlafen, dass sich beim Publikum dank der Gewohnheit, am Smartphone zwischen unterschiedlichsten Bildern hin- und herzuwischen, neue Dimensionen der visuellen Kompetenz aufgetan haben. Die näher liegende Erklärung für das Arrangement lautet aber: Die Bilder sind groß, und sie passten an die Wände.

Tanzen mit dem Bild

Dabei rechtfertigen einige Werke durchaus schon den Besuch der Ausstellung – neben Oppenheimer etwa das skurrile, seit 1926 nicht mehr ausgestellte Bild „Erwachen“ von Karl Huck, das sieben Geier mit gruslig leuchtenden Augen zeigt.

Wo Flächenversiegelung Kunst ist: Belvedere zeigt Großformate

Oder Tamuna Sirbiladzes abstrakte Arbeit „Greenwall“, die leider überhaupt keinen Konnex zu den Landschaftsgemälden hat, mit denen sie den Raum teilt. Oder Hans Makarts 150 Jahre alter Schinken „Venedig huldigt Caterina Cornaro“, der seine Betrachter in einen Tanz verstrickt und vorführt, was solche Bilder können: Da holen Details (ein Kind, das direkten Augenkontakt aufnimmt, und, ja, ein aufblitzendes Dekolleté) den Blick heran, Personen sind in dramatische Szenen verstrickt, während es Abstand braucht, um den Wumms-Effekt des ganzen Werks – es hat mit 40m2 etwa die Fläche einer Kleinwohnung – zu erspüren.

Einst wurden solche Bilder auf Tour geschickt wie die Immersiv-Shows von heute. Ihre Funktions- und Gebrauchsweisen aufzudröseln, Verbindungen zu Musik, Theater, Popkultur zu knüpfen – all das wäre ein Potenzial dieser Schau gewesen. Sie bleibt jedoch ein großes Fragezeichen.

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