Große Bedürfnisse
Damit tut sich allerdings ein Problem auf: Denn Bilder verlangen von ihrem Gegenüber unterschiedliche Verhaltensweisen. Manche wollen mehr in einer inhaltlichen Dimension erfasst werden, andere funktionieren zuallererst sinnlich – und natürlich unterscheiden sich die Zugänge bei gegenständlicher und bei abstrakter Malerei. Das bedeutet nicht, dass Werke aus unterschiedlichen Epochen und Stilen einander nichts zu sagen hätten. Doch damit dies passiert, braucht es sorgfältige Auswahl und Abstimmung, sprich Kuratierung.
In der Belvedere-Schau bleibt die Rede vom „lebendigen Dialog zwischen historischer und zeitgenössischer Kunst“ leider pure Behauptung. Warum da am Eingang ein Barockgemälde des Hl. Franz von Assisi neben Albin Egger-Lienz’ „Totentanz“, Max Oppenheimers Hauptwerk „Die Philharmoniker“ (es zeigt Gustav Mahler als Dirigent des Orchesters) und einem Schüttbild von Hermann Nitsch zu hängen kommt, ist nicht wirklich zu erfassen. Auch wenn sich Verbindungen konstruieren lassen (das Barocke spielt bei Nitsch eine Rolle, ebenso die Musik), fühlt man sich allein gelassen mit der Frage, wie diese Bilder zu sehen sind.
Möglicherweise hat Ihr Rezensent verschlafen, dass sich beim Publikum dank der Gewohnheit, am Smartphone zwischen unterschiedlichsten Bildern hin- und herzuwischen, neue Dimensionen der visuellen Kompetenz aufgetan haben. Die näher liegende Erklärung für das Arrangement lautet aber: Die Bilder sind groß, und sie passten an die Wände.
Tanzen mit dem Bild
Dabei rechtfertigen einige Werke durchaus schon den Besuch der Ausstellung – neben Oppenheimer etwa das skurrile, seit 1926 nicht mehr ausgestellte Bild „Erwachen“ von Karl Huck, das sieben Geier mit gruslig leuchtenden Augen zeigt.
Oder Tamuna Sirbiladzes abstrakte Arbeit „Greenwall“, die leider überhaupt keinen Konnex zu den Landschaftsgemälden hat, mit denen sie den Raum teilt. Oder Hans Makarts 150 Jahre alter Schinken „Venedig huldigt Caterina Cornaro“, der seine Betrachter in einen Tanz verstrickt und vorführt, was solche Bilder können: Da holen Details (ein Kind, das direkten Augenkontakt aufnimmt, und, ja, ein aufblitzendes Dekolleté) den Blick heran, Personen sind in dramatische Szenen verstrickt, während es Abstand braucht, um den Wumms-Effekt des ganzen Werks – es hat mit 40m2 etwa die Fläche einer Kleinwohnung – zu erspüren.
Einst wurden solche Bilder auf Tour geschickt wie die Immersiv-Shows von heute. Ihre Funktions- und Gebrauchsweisen aufzudröseln, Verbindungen zu Musik, Theater, Popkultur zu knüpfen – all das wäre ein Potenzial dieser Schau gewesen. Sie bleibt jedoch ein großes Fragezeichen.
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