Frauen, die in Wien ihre Spuren hinterließen

Frauen, die in Wien ihre Spuren hinterließen
Fremdenführerin Susanne Oberforcher bietet Stadtspaziergänge, bei denen sie von mutigen Vorreiterinnen und Unternehmerinnen erzählt.

Etwas in ihnen ist erwacht, das sie mit Unruhe erfüllt und mit Sehnsucht, etwas, das hinausweist über die Enge des häuslichen Herdes, das verlangend hinausblickt in das unbekannte Gebiet jenseits. Sie wollen das Leben, das unbegrenzte, schicksalsvolle, vielgestaltige Leben der freien Persönlichkeit an sich selbst erfahren.

Es war am 8. März 1899, als diese Worte in der neuen Zeitschrift namens „Dokumente der Frau“ erschienen. Damals war der 8. März noch nicht Weltfrauentag, Frauen durften nicht studieren oder wählen. „Alle unsere Rechte haben wir hart erkämpft. Das darf man nicht vergessen“, sagt Fremdenführerin und Autorin Susanna Oberforcher.

Und damit das mit dem Vergessen nicht passiert, bietet sie rund um den Frauentag am 8. März thematisch passende Stadtspaziergänge an: Dabei erzählt sie über mutige Vorreiterinnen und Unternehmerinnen, inklusive Anekdoten über den Alltag in Wien einst und jetzt.

Disziplinarverfahren

Auf den Spuren der 1855 geborenen Frauenrechtlerin Auguste Fickert führt sie durch das Cottageviertel. „Sie war bekannt als streitbare, kompromisslose Feministin“, erzählt Oberforcher. Das brachte ihr nicht unbedingt große Beliebtheit ein – dafür aber ein paar Disziplinarverfahren.

Fickert setzte sich für gleichen Lohn, das Wahlrecht, die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare, die Trennung von Schule und Kirche oder gegen Kinderarbeit ein. Mit zwei weiteren Frauen gab sie außerdem die eingangs zitierte Zeitschrift „Dokumente der Frau“ heraus.

Und sie engagierte sich für leistbare Wohnungen für alleinstehende, berufstätige Frauen. „Eine Frau konnte damals nicht einfach allein eine Wohnung suchen. Da hätte man vermutet, dass es sich um eine ,Einschlägige’ handelt“, sagt Oberforcher. Daher mussten sich Frauen als „Bettgeherin“ durchschlagen: Sie zahlten viel Geld, um ein paar Stunden in einem fremden Bett zu schlafen. „Das war hygienisch fragwürdig und es gab sexuelle Belästigung.“

Fickert erreichte, dass in der Peter-Jordan-Straße ein Haus mit leistbaren Wohneinheiten für Frauen entstand. 1911, ein Jahr nach ihrem Tod, wurde es eröffnet. Heute erinnert eine Statue im Türkenschanzpark an sie.

Frauen, die in Wien ihre Spuren hinterließen

Frauenrechtlerin Auguste Fickert,1855  in Wien geboren

Von Venedig bis Wien

Bei ihrer Tour „Starke Wirtschaftsfrauen“ startet Oberforcher im 1. Bezirk, sie macht aber auch einen kleinen Abstecher ins Venedig des 14. Jahrhunderts: Dort lebte die Poetin Christine de Pizan, die als Witwe ums finanzielle Überleben kämpfte. „Schon sie hat Frauen geraten, sich dafür zu interessieren, wie man Geld verdient.“

51.000 Unternehmerinnen gibt es aktuell in Wien, immerhin die Hälfte davon sind Einzelkämpferinnen. Und zu einigen führt Oberforcher im 1. Bezirk – sie setzt sich „die Unternehmerinnen-Brille auf“, um die weibliche Seite der Wirtschaft zu zeigen, wie sie sagt. Die Tour führt etwa zu einer Kochbuch-Handlung, zu einer Schmuck-Galerie oder zu einem veganen Feinkost-Laden. Und bei diesem Rundgang gibt es nicht nur Anekdotisches, sondern auch Kulinarisches: etwa Wein, Süßigkeiten oder veganen Lachs.

„Als junge Frau dachte ich, das sind unsere letzten Gefechte für Frauenrechte. Heute bin ich 66 – und immer noch führen Alleinerziehende die Armutsstatistik an“, sagt Oberforcher. Um das ins Bewusstsein zu rufen, möchte sie rund um den 8. März die Geschichten starker Frauen erzählen.

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