Unternehmen trauen Frauen in Führungsrollen weniger zu als Männern

Symbolbild
Top-Managerinnen sind im Nachteil, denn österreichische Unternehmen trauen ihnen weit weniger zu als ihren männlichen Pendants.

Österreichische Unternehmen trauen Frauen in Führungsrollen weniger zu als Männern. Das ist eine Erkenntnis des neuen Gender Diversity Index der Strategieberatung Boston Consulting Group.

Mittels KI-Analyse hat dieser erhoben, dass Unternehmen in ihrer Kommunikation klar voreingenommen sind, ob es sich bei ihren Führungskräften um Männer oder Frauen handelt.

Weniger Fähigkeiten, mehr Zurückhaltung

Wenn es um die Kompetenzen ihrer neuen Vorstandsmitglieder geht, sind Unternehmen in der Kommunikation bei Frauen zurückhaltender als bei Männern.

So schreiben Österreichs größte Konzerne in ihren Pressemitteilungen den Topmanagerinnen weniger Fähigkeiten zu als deren männlichen Kollegen.

Bei der Eigendarstellung auf der Karriereplattform LinkedIn hingegen verwenden weibliche und männliche Führungskräfte gleich viele Attribute. 

Erstmals können wir einen echten Gender-Bias in der Unternehmenskommunikation nachweisen. Das ist insofern von Bedeutung, als in vielen Firmen die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen unbewusst erfolgt.

von Heike Dorninger, Co-Autorin der Studie und Partnerin bei BCG

Frappante Unterschiede

Mithilfe der „Natural Language Processing“-Methode, das heißt maschineller Verarbeitung natürlicher Sprache, hat die Strategieberatung insgesamt mehr als 230 Pressemitteilungen sowie LinkedIn-Beiträge zu Berufungen in Führungsrollen analysiert.

Mit Ausnahme des Vorstandsvorsitzes werden Männern in Unternehmenskommunikationen im Durchschnitt mehr Kompetenzen zugeschrieben.

Je nach Ressort fallen die Unterschiede anders aus: Wird eine Frau zur Finanzchefin ernannt, werden dazu im Schnitt 5,5 Fähigkeiten kommuniziert – bei Männern sind es 7,4.

Eine Differenz zeigt sich auch in anderen businessnahen Funktionen: Durchschnittlich 5,8 genannten Fähigkeiten bei Frauen stehen 6,8 Kompetenzen bei Männern gegenüber.

Gering ist der Unterschied bei supportnahen Funktionen wie Personal oder Marketing. Auf der Karriereplattform LinkedIn hingegen verwenden die neuen Managerinnen und Manager mit 21 Kompetenzen deutlich mehr Attribute, um sich selbst zu beschreiben – aber Frauen und Männer gleich viele.

Zu langsame Entwicklung

BCG analysiert jährlich die 50 größten börsennotierten Unternehmen Österreichs und erstellt ein Unternehmensranking, das auf Parität und Vergütung in Vorstand und Aufsichtsrat basiert.

Die Führungsgremien werden demnach zunehmend weiblicher. Frauen sind heute in gut einem Drittel der österreichischen Vorstände vertreten – das ist doppelt so häufig wie noch 2018.

Dennoch geht es nur zäh voran: Der Zuwachs an Vorständen, in denen mindestens eine Position von einer Frau besetzt ist, hat sich seit 2020 von zuvor sechs auf vier Prozentpunkte pro Jahr verlangsamt.

Mit durchschnittlich 29 Prozent stagniert zudem der Frauenanteil in den Aufsichtsräten knapp unter der gesetzlich vorgeschriebenen Quote. 

Bei den Neubesetzungen kamen in diesem Jahr fünfmal häufiger Männer als Frauen zum Zug. Zwischen der Bezahlung von Frauen und Männern in leitenden Positionen herrscht nach wie vor eine Lücke von 28 Prozentpunkten.

Bislang gibt es auch nur vier weibliche Vorstandsvorsitzende gegenüber 46 Männern. In den Aufsichtsräten ist die Geschlechterdiversität etwas größer: Hier sind es zehn weibliche Vorsitzende gegenüber 39 Männern. 

Spitzenreiter in Sachen Gleichstellung

Spitzenreiter des BCG Gender Diversity Index, der in diesem Jahr zum fünften Mal erscheint, ist 2022 die Ottakringer Getränke AG.

Österreichs einziger börsennotierter Getränkekonzern führt den Index mit 86,2 von 100 möglichen Punkten an und ist damit Diversity Champion.

Auf Platz zwei folgt mit 82,5 Punkten der Textilfabrikant Linz Textil Holding AG, der erst 2021 in das Ranking einstieg.

Das Führungstrio im BCG Gender Diversity Index komplettiert der Vorjahressieger, das Pharmaunternehmen Marinomed Biotech, mit 82,1 Punkten.

Entscheidend für das Abschneiden im Index sind der Anteil der Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Vergütung im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.

Wenn man auf den nun fünf Jahre umfassenden Studienzeitraum zurückblickt, konnte nur die Erste Group Bank AG die Vielfalt in den Chefetagen Jahr für Jahr ausbauen. Die Bankengruppe liegt aktuell mit 76 Punkten auf Platz 4.

Die Versicherung Vienna Insurance Group AG ist das Unternehmen, das sich im BCG Gender Diversity Index konstant am besten platzieren konnte: Sie erzielte durchschnittlich 79,4 Punkte pro Jahr und belegte in drei von fünf Jahren einen Top-3-Rang. 

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