Wie Polizeiarbeit in Wien künftig funktioniert

Wie Polizeiarbeit in Wien künftig funktioniert
Polizeireform: In Wien werden 22 kleine Polizeiinspektionen geschlossen und dafür sechs neue gebaut.

Die Bundeshauptstadt Wien erhielt bei der Polizeireform eine Schonfrist von mehren Wochen. Nachdem bereits im Jänner von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die bundesweite Polizeireform mit der Schließung von 122 kleinen Polizeiinspektionen verkündet wurde, konnten Mittwoch nun auch die komplizierten Verhandlungen in der Bundeshauptstadt Wien abgeschlossen werden. Das Ergebnis: 22 kleine Dienststellen werden mit größeren Posten zusammengelegt, dafür werden aber in den Stadterneuerungsgebieten im Osten sechs neue Polizeiinspektionen geschaffen.

Welche Wachzimmer in Wien schließen müssen, lesen Sie hier.

Wie Polizeiarbeit in Wien künftig funktioniert
Die Dienststellenstruktur Wiens geht zurück auf die 70er-Jahre. Dass es Handlungsbedarf gibt, formulierte der Rechnungshof in einem Prüfbericht nach einem Vergleich mit der gleich großen Stadt München. Während die Münchner Polizei mit 25 Dienststellen das Auslangen findet, gibt es in Wien 96. Die Verwaltung von Polizeiwachzimmern bindet Personal, das nicht auf der Straße eingesetzt werden kann. Laut Rechnungshof könnte die Wiener Polizei nach dem Münchner System 265 Beamte mehr für den Außendienst einsetzen. Daher stellten die Prüfer die Forderung, die Wiener Dienststellen zu einer Zentralinspektion pro Bezirk zusammenzufassen. Das hätte einen Kahlschlag von 96 auf 23 bedeutet.

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl sieht zwar ebenfalls Handlungsbedarf, hält aber den Ansatz des Rechnungshofes für zu radikal. Dagegen wehrt sich auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der das Thema im nächsten Wahlkampf fürchten muss. Häupl forderte ein eigenes Sicherheitskonzept für die Bundeshauptstadt, was schließlich zu Verzögerungen bei den Verhandlungen führte.

Eckdaten

Wie Polizeiarbeit in Wien künftig funktioniert
APA17176306 - 24022014 - WIEN - ÖSTERREICH: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner während einer Sitzung des Nationalrates zum Thema "Sicherheit statt Polizei-Postenschließungen" am Montag, 24. Februar 2014, im Parlament in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Dem KURIER liegen nun die Ergebnisse mit den Eckdaten vor. Demnach werden 22 kleine Dienststellen geschlossen, und die Beamten zu den größeren versetzt. Darunter sind auch drei Hundestaffeln. Im Gegenzug werden aber sechs neue Dienststellen eröffnet. Außerdem garantiert Ministerin Mikl-Leitner, dass bis 2015 in Wien 1000 zusätzliche Polizeibeamte in den Dienst gestellt werden.

Welche Dienststellen betroffen sind, haben heute, Donnerstag, Landespolizeivizepräsidentin Michaela Kardeis und Landespolizeivizepräsident Karl Mahrer bekannt gegeben (siehe Karten). Sieben Polizeiinspektionen werden in Stadterweiterungsgebiete übersiedelt, etwa in die Seestadt, zum Nordwestbahnhof oder zum Alten Landgut.

Damit wurde zwar der Radikalansatz des Rechnungshofes nur teilweise erfüllt, aber es kommt jedenfalls zu einer Verlagerung von Polizeibeamten aus dem Zentrum an die Peripherie und in die Hot Spots. So war laut Rechnungshof die Josefstadt unter den zwei am wenigsten belasteten Kommanden, dafür aber das Stadtpolizeikommando Donaustadt unter den höchst belasteten – wobei aber die Donaustadt über mehr Beamten verfügte.

Für Bürgermeister Häupl scheint es jedenfalls ein Erfolg zu sein. Denn er muss in der Bundeshauptstadt mit 1,7 Millionen Einwohnern nur netto 16 Dienststellen abgeben, während sein SP-Parteikollege und Landeshauptmann Peter Kaiser im nur 550.000 Einwohner zählenden Kärnten immerhin 22 Posten zusperren muss.

Es war ein heftiger Gegenwind, der ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Ende Jänner entgegenwehte:

Die Ankündigung der Reform der Polizeidienststellen, wonach 122 Polizeiposten in acht Bundesländern geschlossen werden sollen, erzürnte viele Bürgermeister der betroffenen Gemeinden und verunsicherte auch viele Bürger. Die FPÖ wetterte sogleich gegen den "schweren Anschlag auf die Sicherheit", die in "Zeiten steigender Kriminalität völlig unverantwortlich" sei.

Es dauerte einige Tage, bis Mikl-Leitner und ihr Presseteam die Reformidee klarer kommunizieren konnten: Es werde durch die Reform keinen einzigen Polizisten weniger geben, sondern nur Bürokratie abgebaut und "mehr Zeit für eigentliche polizeiliche Arbeit" bleiben, so die Polizei-Ministerin.

Ergebnis überraschend

Wie sich in einer aktuellen OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER zeigt, scheint sich der Zorn in der Bürger etwas gelegt zu haben: 43 Prozent der Befragten sprechen sich gegen die Reformpläne aus, nur etwas weniger, nämlich 38 Prozent, finden Mikl-Leitners Ansatz richtig.

"Das Ergebnis ist durchaus überraschend", erklärt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer das Resultat. "Zwar sieht nach wie vor eine Mehrheit der Bevölkerung kritisch, dass Polizeidienststellen gestrichen werden, aber diesen Unmut hegen lange nicht so viele Menschen, wie man vermutet hätte."

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Knapp auch das Ergebnis bei der Frage, ob zu befürchten sei, dass durch die Reform die öffentliche Sicherheit zurückgehe: 48 Prozent befürchten Verschlechterungen, 40 Prozent glauben das nicht. "Die OGM-Daten zeigen, dass vor allem FPÖ-Wähler eine Sicherheitsproblem befürchten, konkret zu 89 Prozent", sagt Bachmayer. "Auf der anderen Seite bezweifeln 58 Prozent der Grün-Wähler tatsächliche Verschlechterungen. Aber insgesamt hat auch dieses Ergebnis überrascht, die Reform wird in der Bevölkerung tatsächlich über die Inhalte bewertet, das Ergebnis ist für Ministerin Mikl-Leitner moderat ausgefallen."

Der Meinungsforscher verweist auf eine interessante Parallele: "Als vor einigen Jahren die große Post-Reform verkündet worden war, wonach Postämter geschlossen und dafür Post-Partner die Arbeit übernehmen mussten, war die Ablehnung in der Bevölkerung deutlich schärfer als jetzt bei der Polizei-Reform."

Die österreichische Exekutive hat bewegte Jahre hinter sich. In den 14 Jahren des neuen Jahrtausends wird die Polizei in der Bundeshauptstadt zum Beispiel nun zum fünften Mal reformiert, bundesweit ebenfalls bereits einige Male. Nachfolgend ein Überblick über die Strukturanpassungen seit 2001 und ihre Auswirkungen:

2001/2002: Unter heftigem Widerstand der Personalvertretung und der Opposition strukturiert Innenminister Ernst Strasser (ÖVP)) die Wiener Polizei um, nachdem er bereits das noch unter Amtsvorgänger Karl Schlögl (SPÖ) angekündigte Bundeskriminalamt (BK) verwirklicht hat. Aus 23 Polizeikommissariaten werden 14, noch drastischer erwischt es den Kriminaldienst. Dieser wird von den Polizeikommissariaten gelöst. Es gibt ein Kriminalamt mit drei Direktionen, von denen die erste das ehemalige Sicherheitsbüro, die zweite fünf Kriminalkommissariate und die dritte die Assistenzdienste umfasst.

Auch die Personalrochaden sind tiefgreifend und tragen Strasser vielfach den Vorwurf der Umfärbung ein: Vizepolizeipräsidentin wird Michaela Pfeifenberger, heute Michaela Kardeis, Leiter des Kriminalamtes wird Roland Horngacher. Der ehemalige Leiter des Sicherheitsbüros (SB), Maximilian Edelbacher, wird ins Kriminalkommissariat Süd versetzt, Ernst Geiger, Stellvertreter Edelbachers, wird Leiter der Kriminaldirektion 1, wo es bald zu heftigen Konflikten mit Horngacher kommt. Franz Schnabl, Generalinspektor der Sicherheitswache, bleibt zwar zunächst, wird aber mit Jahresbeginn 2003 abgelöst.

Weit weniger aufsehenerregend, aber tiefgreifend sind die Reformen bei den Sondereinheiten und bei der Staatspolizei, aus der das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (heute nur Landesämter für Verfassungsschutz, Anm.) werden. Aus den Sondereinheiten wird das EKO Cobra mit zunächst vier Standorten - heute sind es acht in allen Bundesländern außer dem Burgenland, das von Wiener Neustadt mitbetreut wird. Nur die Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) bleibt als lokale Spezialeinheit für die Bundeshauptstadt auf Dauer erhalten.

2004/2005: Mit der "Team04"-Reform werden die Wachkörper Sicherheitswache, Gendarmerie und Kriminaldienst zusammengelegt. Allerdings bleibt die Behördenstruktur davon unberührt, weil die dafür notwendige Verfassungsmehrheit unter der ÖVP-FPÖ-Koalition nicht zustande kommt. In Wien spitzt sich im Zuge dessen der Konflikt zwischen Horngacher und Geiger zu und mündet zwei Jahre später in der Wiener Polizeiaffäre. Horngacher wird zum Landespolizeikommandanten, Karl Mahrer sein Stellvertreter. Doch im Kriminaldienst übernimmt Ernst Geiger den behördlichen Teil, die kriminalpolizeiliche Abteilung. Polizeipräsident wird schließlich keiner der beiden: Während Geiger als Leiter der Abteilung Ermittlungen, Allgemeine und Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt im polizeilichen Dienst bleibt, muss Horngacher die Exekutive verlassen.

2008: Wieder ist der Kriminaldienst in Wien an der Reihe. Die vollständige Trennung zwischen Kriminalbeamten und Uniformierten wird rückgängig gemacht, in den Stadtpolizeikommanden und Polizeiinspektionen sitzen künftig auch "Kieberer". Im Landeskriminalamt (LKA) selbst gibt es statt der Kriminaldirektionen einen Bereich Ermittlungen sowie einen Bereich Assistenzdienste und statt der Kriminalkommissariate Außenstellen, so wie bisher fünf und an den selben Standorten. Leiter des LKA wird Josef Kerbl, Überraschungen gibt es teilweise bei der Besetzung der Chefsessel in den Außenstellen.

2012: Die Behördenstruktur wird reformiert. Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Landespolizeikommanden werden in neun Landespolizeidirektionen zusammengelegt.

2014: Im Zuge der Verhandlungen für die erneute Koalition zwischen SPÖ und ÖVP werden Ende 2013 erstmals Gerüchte um die geplante Schließung von Polizeiinspektionen laut. Im Koalitionspakt findet sich dazu nur das Bekenntnis zur Modernisierung der Exekutive, im internen Jargon heißt das Paket "Dienststellenstrukturanpassung". Dahinter verbirgt sich nicht weniger als die Schließung von 122 Polizeiinspektionen, und Wien ist noch gar nicht ausverhandelt. Als Ziel wird genannt, mehr Polizisten in den Außendienst zu bekommen. Das Budget sieht Einsparungen für das Innenministerium von mehr als 38 Millionen Euro bei den Ermessensausgaben vor.

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