Mit „Das hier“ sind weitläufige Wiesen gemeint, Scheunen und etwas, das man als Wellnessbereich bezeichnen könnte – mit einer Infrarot-Kabine für Pferde mit Rückenschmerzen. Steht man selbst drunter, ist es angenehm warm. „Würde ich Arbesthal aufgeben, könnte ich mir 20.000 Euro im Monat extra einstecken, aber ich mache das für die Pferde“, so Paul. „Und dann muss ich mich als Tierquäler beschimpfen lassen.“
Anfeindungen
Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) kauft Fiakerbetrieben die Liebe zu den Pferden nämlich nicht ab. Seit Jahren machen sie gegen das Gewerbe mobil – die Fiakerpferde seien abgemagert, nicht artgerecht gehalten, würden ständig wegen der Hitze kollabieren. Aber all das dürfen sie nun nicht mehr behaupten, wie ein rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Wien besagt, das dem KURIER vorliegt.
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Wie es dazu kam? Fiaker Paul wollte die ständigen Anfeindungen nicht mehr auf sich sitzen lassen und hat die Tierschützer geklagt. Ein zweiter Prozess, in dem es um die Behauptung ging, dass sich immer wieder für Menschen tödliche Unfälle mit Fiakern ereignen, wurde in erster Instanz ebenfalls gewonnen.
Dass sich der VGT davon nicht einschüchtern lässt, zeigte sich erst diesen Dienstag. Die Tierschützer spielten ein Video an die Öffentlichkeit, auf dem zu sehen ist, wie eine Kutsche vor der Staatsoper mitten auf den Stufen feststeckt. „Es ist irrwitzig, wie leichtsinnig hier mit Tier- und Menschenwohl gespielt wird“, hieß es dazu.
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Der Tierschutzverein hat darum Anzeige aufgrund von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, das Fiaker- und Pferdemietwagengesetz sowie gegen das Tierschutzgesetz erstattet.
Von Anzeigen kann man bei Johann Paul ein Lied singen. Mitten im Gespräch springt er auf und holt einen Stapel eingeschriebener Briefe mit Anzeigen vom VGT. Er ist mehrere Zentimeter hoch. „Mehr Schikane geht nicht“.
Die Optik war für die Fiakerbetriebe in den vergangenen Monaten tatsächlich nicht die beste. Immer wieder brachen Pferde mitten in Wien zusammen, zuletzt im Oktober 2022. Alle Vorfälle wurden vom VGT fotografisch festgehalten.
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Das Problem sei einerseits, dass diese Vorfälle in der Öffentlichkeit passierten, sagt Marco Pollandt, Gründer des Unternehmens „Riding Dinner“. „Wenn ein Pferd in der Spanischen Hofreitschule oder auf der Rennbahn zusammenbricht, bekommt das keiner mit.“
Außerdem hätten die meisten keine Ahnung von Pferden: „Die wenigsten wissen, wie viel Wasser ein Tier braucht, aber sie glauben zu wissen, dass es zu wenig bekommt.“ Genauso wenig könnten sie einschätzen, warum ein Pferd zusammenbricht – die Fälle in der Vergangenheit waren laut Veterinäramt nicht auf die Hitze zurückzuführen.
Weil die Stimmung schon so aufgeheizt sei, würden die Fiakerfahrer sogar dazu neigen, die Pferde zu viel zu tränken oder mit kaltem Wasser abzuspritzen, obwohl man den Pferden damit gar nichts Gutes tue. Das bestätigt auch Fiaker-Sprecherin Ursula Chytracek. „Das Pferd, das laut VGT zu abgemagert war, war in Wirklichkeit eines der wenigen mit einer guten Figur.“ Die anderen seien „ein bisschen zu dick, damit sich die Gegner nicht aufregen können.“
Die Fiakerunternehmer hätten eigene Chiropraktiker und Zahnärzte für die Pferde. „Die Tiere werden im Schnitt zehn Mal jährlich von Tierärzten überprüft“, erklärt Chytracek, bevor sie in schönsten Fiaker-Sprech verfällt: „Wir scheißen mit den Tieren mehr umeinander als andere mit ihren Kindern.“
Von den Streitereien unbeeindruckt zeigen sich übrigens die Fahrgäste. Die Nachfrage steige seit Jahren. Bei der Fahrt zu den Ställen läutet Pauls Telefon tatsächlich mehrmals: „Können’S auch später? Um 14 Uhr simma schon komplett ausgebucht“, hört man ihn unter anderem sagen. Zu tun gibt es also genug – für ihn. Und für die Pferde, die nicht gerade mit Mariechen und Nils in Arbesthal Urlaub machen.
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