Familie Krebernik: "Jetzt haben wir halt fünf Kinder"
Simo wirbelt durch den Raum, macht einen Handstand, dreht sich um die eigene Achse: Der 22-Jährige ist Breakdancer und stammt aus Damaskus. Rund um ihn hört man Gelächter, Applaus, Jubel. Rund um ihn, da ist nämlich seine neue Familie: Vater, Mutter, drei Kinder und ein ehemaliger Straßenhund. Seit September leben Simo und sein 17-jähriger Bruder Firas bei Familie Krebernik. Der KURIER war zu Gast in einer der wohl buntesten WGs in Wien.
Die Kreberniks bewohnen ein kleines, farbenfrohes Reich im Westen Wiens; Kreativbüro und Skateboard-Rampe im Garten inklusive. Ihre Kinder sind eineinhalb, drei und fünf Jahre alt. Die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, sei im Sommer gefallen, erzählt Vater Lilo Krebernik. "Man muss sich nur vorstellen, dass man selbst vor Krieg und Terror flüchten muss", ergänzt seine Frau Kathi. "Da braucht man jemanden, der hilft."
Die Kreberniks wandten sich an die Initiative "Flüchtlinge Willkommen Österreich", die Privatquartiere für Flüchtlinge organisiert. "Sie kümmern sich auch super darum, dass Flüchtlinge und Gastgeber gut zusammenpassen", erzählt Lilo.
Erstes Treffen
Lilo und Kathi Krebernik – beide sind Grafikdesigner und interessiert an Sport, Kunst und Kultur – hatten sofort einen Draht zu Firas und Simo: "Beim ersten Treffen haben wir eineinhalb Stunden geplaudert", beschreibt Lilo. Simo bestätigt: "Ich habe mir sofort gedacht, dass sie sehr nett sind." Drei Wochen und ein wenig Papierkram später zogen die Brüder bei der Familie ein.
Wie hat sich der Alltag seitdem verändert? "Klar ist viel zu tun", schildert Kathi. Sie helfe den Burschen bei Amtswegen. Ebenso organisiere sie, dass beide in Österreich einen Schulabschluss machen können. Die Zeugnisse aus Syrien, die seien nämlich verbrannt: "So wie das Haus und alles andere", fügt Simo leise hinzu.
Zentrales Thema ist freilich das Deutschlernen: "Wir sprechen fast nur Deutsch miteinander", erzählt Kathi. "Wörter, die sie nicht kennen, schreibe ich ihnen auf. Sie lernen aber extrem schnell."
"Schmäh führen"
Auch gemeinsames Scherzen funktioniert auf Deutsch bereits ziemlich gut: "Hier in Wien nennen wir das ,Schmäh führen‘", erklärt Kathi. Pflichtbewusst schreibt Simo mit. Als er im Arabisch-Wörterbuch eine Übersetzung findet, freut er sich: "Schmäh – das haben wir zuhause auch gehabt", sagt er und lacht.
Neben Amtswegen und Lernen darf freilich auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Häufig koche und esse man gemeinsam. "Wir zeigen ihnen, wie man Skateboard fährt, und sie bringen uns Breakdance bei", erzählt Kathi. Auch die Vorurteile, die über Flüchtlinge kursieren, können sie nicht bestätigen. "Es heißt, es kommen so viele gefährliche, junge Männer", sagt Kathi. Sie zeigt auf die Brüder und lacht. "Sieh sie dir an, die gefährlichen Männer: Sie spielen mit unseren Kindern und mit dem Hund."
Als die Kinder schließlich ins Wohnzimmer laufen, nimmt Simo den kleinen Sohn Ferry und wirbelt ihn durch die Luft. Der Bub quietscht vor Vergnügen. "Jetzt haben wir halt fünf Kinder", sagt Kathi und lacht.
"Sind eine Familie"
Konflikte gab es bisher keine. Im Gegenteil: "Wir sind schon eine Familie", sind sich alle einig. Mindestens ein halbes Jahr lang sollen Simo und Firas bei den Kreberniks wohnen. Eines Tages wollen sie eine eigene Wohnung in Wien beziehen, eventuell gemeinsam mit den Eltern, die derzeit noch in der Türkei leben. "Ich hoffe aber, dass sie länger bleiben", sagt Kathi.
Flüchtlinge aufnehmen
Vermittlung Die Initiative „Flüchtlinge Willkommen Österreich“ ist seit Jänner in Österreich aktiv. Sie stellt den Kontakt zwischen Flüchtlingen und Quartiergebern her. Die Initiative hilft auch, sollte es beim Zusammenleben Konflikte geben.
Beratung Mitarbeiter der Initiative geben Auskunft bei Fragen rund um die Aufnahme eines Flüchtlings; sie informieren etwa über finanzielle und rechtliche Aspekte.
Kontakt www.fluechtlinge-willkommen.at
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