EuroPride: Bis zu 500.000 demonstrierten für Gleichberechtigung
Mit der größten Regenbogenparade, die Wien je gesehen hat, ging die EuroPride2019 am Samstagnachmittag auf die Zielgerade. Auf der Ringstraße demonstrierten trotz brütender Hitze rund 460.000 Menschen für Akzeptanz, Respekt und gleiche Rechte. Lesben, Schwule, Bi-, Trans-, Inter- und Heterosexuelle.
In Bewegung setzte sich der riesige Paradezug kurz nach Mittag zwischen Rathaus und Burgtheater, von wo es ein Mal gegen die Fahrtrichtung - also andersrum - um den Ring ging. In Summe nahmen 107 Wägen und Fußgruppen an der Parade teil - so viele wie noch nie.
Unter den größtenteils farbenfroh kostümierten und geschminkten Teilnehmern der Parade herrschte zwar ausgelassene Stimmung. Trotz lauter Musik und Partyfeeling machte die LGBTIQ-Community (die englische Abkürzung steht für lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle sowie queer Personen; Anm.) aber deutlich, dass die Regenbogenparade nicht nur ein Spaß-Event, sondern vor allem auch eine Demonstration für Gleichberechtigung ist.
"Für einen Tag Star sein"
Die Gruppierungen und Einzelpersonen, die zum Teil extra für den Höhepunkt der EuroPride nach Wien angereist waren, waren bunt gemischt.
Da gab es bewusst schräge Typen wie Drag Queen Franka aus München, die sich als Schminkkommode verkleidet hatte und an der Veranstaltung die Möglichkeit zur Selbstdarstellung schätzt. "Für einen Tag Star sein - das liebe ich", sagt sie.
"Aufmerksamkeit provozieren" wollte auch Biker Jörg Rödhe - "weil die Gesellschaft zum Teil noch homophob" sei, wie der in Wien wohnende Deutsche auf seinem mit Regenbogenfahnen verzierten Motorrad erklärte. Seinen dichten Bart hatte er in den Farben des Regenbogen eingefärbt.
"Biedere Enkelkinder"
Unter die Teilnehmer mischten sich auch Annegret Kern und ihre Partnerin Andrea Kutschau, denen es am liebsten wäre, würde die EuroPride (die am Sonntag zu Ende geht; Anm.) noch eine weitere Woche andauern. Sie seien die 50-plus-Generation, erklären die Wienerin und die Berlinerin. Während ihre Enkelkinder "einen biederen Grillnachmittag verbringen, geht die Oma auf die Regenbogenparade", sagte Kern stolz.
Ebenfalls ein deutsch-österreichisches Paar sind Bärbel aus Niederbayern und Susanne aus Wien. Sie demonstrierten gemeinsam mit den "Dykes on Bikes" und den "Guys on Bikes" für die bunte Vielfalt, wie die beiden Mittfünfzigerinnen dem KURIER erklärten. Und das Schöne sei, "dass das grad in Wien möglich ist".
Extra aus Schweden reisten Frederik und Alf an, die im Vorjahr an der EuroPride in Stockholm beteiligt gewesen waren.
Cocktail trinken mit Sebastian Kurz
Frederik Sawesthal sitzt für die bürgerlich-konservative Partei "Moderaterna" im Stockholmer Regionalparlament und erzählt stolz, dass er mit Sebastian Kurz schon einmal Cocktail trinken war.
Bei der Regenbogenparade wunderte den 42-Jährigen allerdings, dass nur die Grünen und die Neos Präsenz im EuroPride Village auf dem Rathausplatz demonstrierten. "In Schweden wäre das anders", erzählte er. "Da würden von acht Parteien sieben teilnehmen." Insofern müsse man die ÖVP, mit der man gemeinsam in der Europäischen Volkspartei vertreten sei, noch bewegen "Pride-freundlicher zu agieren".
Aus New York reiste der 80-jährige Zeitzeuge Tree an. In der LGBTIQ-Community ist er kein Unbekannter. War er doch live dabei, als Schwule und Transsexuelle 1969 nach Polizei-Razzien in der "Stonewall Inn"-Bar im Greenwich Village begannen, sich gegen die Exekutive zur Wehr zu setzen. Damals war er gerade mit Freunden in der Bar tanzen, später arbeitete er dort Jahrzehnte lang hinter der Theke.
Ihren Polterer feierten dagegen Ronnie (38) und Patrick (28) auf der Regenbogenparade. Und zwar mit der gesamten Familie. In den Regenbogenfarben kostümiert und zum Teil geschmückt mit Einhorn-Haarspangen gesellten sich auch Schwester Bianca, Oma Steffi, Tante Elfi, Onkel Gerd, Tante Roswitha und Onkel Friedl sowie die Freundinnen Sandra und Isa aus Wimpassing an der Leitha vom Burgenland nach Wien.
Warum? "Weil wir zeigen wollen, dass jeder geliebt werden soll so wie er ist", stellt Oma Steffi (68) klar.
Bereits geheiratet haben Nina und Milesa Simovic. Und zwar vergangenen Dienstag im Rahmen der EuroPride. Sie fuhren bei der Parade im ersten von insgesamt 107 Trucks mit.
Doch bei Weitem nicht jeder Teilnehmer hatte Verbindungen in die LGBTIQ-Community.
Weltoffene Dudelsackspieler
Die "Black Smith Pipers", Niederösterreichs einziger Dudelsackverein, sei "einfach weltoffen", erklärte Manager Stefan Kainz. Deshalb spielten die Musiker aus Schönau an der Triesting stilecht mit Schottenrock und Einhorn-Logo auf der Ringstraße.
Unter die Teilnehmer mischten sich neben Veranstalterin Katharina Kacerovsky und den Vertretern der Hosi Wien, Lui Fidelsberger und Moritz Yvon, auch zahlreiche Politiker. Darunter Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, der grüne Bundessprecher Werner Kogler, SPÖ-Antidiskriminierungstadtrat Jürgen Czernohorszky, Tourismus-Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) und NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr.
Kacerovsky freut sich besonders über den Besucherrekord. Die mehr als 460.000 Teilnehmer "zeigen deutlich, dass Zigtausende heterosexuelle Freunde und Freundinnen gemeinsam mit uns auf die Straße gegangen sind", sagt sie.
Veranstaltungen wie diese stärken "allen, die nicht offen leben können" den Rücken, betont Yvon. Etwa "Jugendlichen, die Angst vor dem Coming-out haben oder Menschen, die aus Ländern kommen, in denen sie wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden." Ihnen würde man demonstrieren: "Ihr seid nicht allein."
"Nicht nur Fest, sondern Kundgebung"
Wien sei stolzer Teil der EuroPride und kämpfe für eine Gesellschaft, in der niemand diskriminiert werde, erklärte Czernohorszky. Deshalb sei die Regenbogenparade "nicht nur ein Fest, sondern auch eine Kundgebung". Sie sei "ein politisches Statement für Menschenwürde, Gleichheit und Liebe".
Wirtschaftstadtrat Hanke und WienTourismus-Direktor Norbert Kettner strichen nicht zuletzt hervor, dass die EuroPride im Allgemeinen und die Regenbogenparade im Besonderen wertvolle und nachhaltige Werbung für die Tourismus-Destination Wien seien.
Im Anschluss an die Regenbogenparade hielten noch Bundespräsident Alexander van der Bellen, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und EuroPride-Veranstalterin Katharina Kacerovsky Reden, bevor LGBTIQ-Aushängeschild Conchita Wurst ihren umjubelten Auftritt hatte.
Laut Polizei lief die gesamte Veranstaltung ruhig ab. Zu einem als Gegendemo interpretierbaren "Marsch für die Familie" seien nur etwa 20 Leute auf den Wiener Stephansplatz gekommen.
Enorme Menschenmenge
Eine offizielle Schätzung der Polizei lag am Samstagnachmittag nicht vor. Ein Sprecher erklärte gegenüber dem KURIER, aufgrund der Dynamik der enormen Menschenmenge sei eine seriöse Schätzung nicht möglich.
Am Sonntag endet die EuroPride2019 mit dem Pride Brunch von 10 bis 15 Uhr in der Rosa Lila Villa sowie im Cafe Savoi. Um 18 Uhr gibt's im Melia Vienna ein Cocktail Closing.
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