Besuch im Dominastudio: „Eine Hure kann auch eine Hausfrau sein“
Eine „Maskenpflicht“ ist für Domina Shiva Prugger nichts Neues. Ob Leder-, Latex-, Narkose- oder Gasmaske – in ihrem Studio in Ottakring findet sich für jeden Fetisch die richtige Gesichtsbedeckung. Doch selbst diese beachtliche Auswahl half ihr während der Lockdowns nicht. Insgesamt zehn Monate durfte sie, so wie auch alle anderen Sexarbeiterinnen in Österreich, nicht legal arbeiten.
Eine Zeit, in der sich die 45-Jährige allein gelassen und diskriminiert fühlte. Gemeinsam mit der Berufsvertretung Sexarbeit Österreich (BSÖ) veranstaltete sie deshalb Ende September „Tage der offenen Tür“ in ihrem Dominastudio, der „Villa Bizarr“.
„Ich konnte die Corona-Zeit mit Rücklagen überbrücken, viele Kolleginnen sind aber verschuldet. Ihnen wollen wir helfen“, erklärt die zierliche Frau mit sanfter Stimme. Außerdem könnten Leute so auch gleich einen Einblick in ihre Arbeit bekommen – dadurch würde mehr gegenseitiges Verständnis entstehen.
Marmelade im Studio
Um Spenden für die BSÖ zu sammeln, stand Prugger stundenlang in der Küche, wo sie Liköre, Sirupe, Marmeladen und Kräutersalze herstellte. „Eine Hure kann auch eine Hausfrau sein“, sagt sie, während sie ihre Produkte präsentiert.
Ein nicht alltäglicher Anblick, immerhin befinden sich links und rechts des „Buffets“ zahlreiche Peitschen und Folterwerkzeuge.
Für die zur Unterstützung anwesenden Stammgäste sind genau diese Utensilien der Grund, warum sie normalerweise in die „Villa Bizarr“ kommen. „Shiva ist ein Profi. Man(n) kann auch ins Laufhaus gehen. Dort gibt’s vielleicht einen Klaps mit einem alten Kochlöffel, einem Ladekabel oder einem vergessenen Gürtel. Aber das hier ist die Königsklasse“, sagt einer ihrer Fans, der anonym bleiben möchte.
Noch mehr G: geknebelt, gefesselt, gedemütigt, gequält und geschlagen
Es brauche ein entspanntes und vor allem sicheres Umfeld, beschreibt die Sexarbeiterin ihr Geheimnis. Corona nehme sie auch deshalb sehr ernst. Und tatsächlich betritt keiner die in rot-schwarz gehaltenen Räumlichkeiten, ohne eines der „Gs“ vorzuweisen. Nur um dann wenig später auf die noch „strengere“ Auslegung hingewiesen zu werden. „Bei mir gilt zusätzlich ,geknebelt, gefesselt, gedemütigt, gequält und geschlagen’“, meint die nun gar nicht mehr so sanfte wirkende Shiva. „Ich nehme mir beim Erstgespräch aber immer viel Zeit, um zu wissen, wie weit ich gehen kann“, ergänzt sie. Ihr ältester Kunde sei 90 Jahre alt und brauche Sauerstoff. Enge Masken oder Stromspiele wären also keine Option.
Mit 69 das erste Mal
Dass das Alter keine Rolle spielt, zeigen auch Hubert und Elfriede H. Das Ehepaar sah im Sommer 2020 einen Fernsehbeitrag über Prugger und die Sadomaso-Szene. Wie so viele nutzten sie die Corona-Zeit, um etwas Neues auszuprobieren. „Ich weiß ja, was ihm gefällt. Zuhause haben wir aber nur begrenzte Möglichkeiten und Shiva war mir sofort sympathisch. Dann hab’ ich ihn gefragt, ob das nicht was wäre?“, erzählt die 67-Jährige. Ihr zwei Jahre älterer Mann war begeistert, wenn auch etwas nervös: „Bei einer so attraktiven Domina waren meine Hemmungen aber rasch überwunden“, sagt der Pensionist, während er schelmisch grinst und die Hand seiner Frau hält.
"Nicht diskriminieren"
Auch der Hausherrin entgeht die Szene nicht: „Dank sicherer Sexarbeit können viele Menschen ihre Fantasien ausleben. Dafür sollten wir Prostituierte nicht diskriminiert werden.“ Das ist auch das Ziel der Berufsvertretung Sexarbeit Österreich: legale Anerkennung von Sexarbeit als freier Beruf und vor allem Mitsprache bei Entscheidungen.
Mehr Infos zur Arbeit der Berufsvertretung Sexarbeit Österreich finden Sie hier.
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