Frustriert ist Tyga über vieles in der Branche dennoch - das Tabu, das mit dem Job verbunden ist, die Stigmatisierung, aber auch strukturelle Schwierigkeiten. „Österreich ist eines der wenigen Länder, die immer noch medizinische Pflichtuntersuchungen vorschreibt. Alle sechs Wochen muss man sich einen Stempel holen und kann erst dann arbeiten. Auf das Ergebnis muss ich absurderweise nicht warten“, erzählt Tyga und kritisiert, dass damit die Gesundheit des Klienten über die eigene gestellt wird. Schein-Selbstständigkeiten, Gesetze, die Sexarbeit kriminalisieren oder Handlungen aus moralischer Hoheit heraus, sind weitere Kritikpunkte.
Corona-Folgen
Obendrauf setzte die Pandemie vielen SexarbeiterInnen zu. Während die Sexarbeit im Online-Bereich wie Pornos oder Cam-Sex profitierte, brachen bei vielen anderen in der Branche Einnahmen weg. „Viele haben zu Beginn den Härtefallfonds nicht beantragen können, weil man dafür ein österreichisches Konto brauchte“, erklärt Tyga.
Ein ausländisches Konto ist in der Branche nicht unüblich. 95 Prozent der offiziell gemeldeten SexarbeiterInnen in Österreich haben Migrationshintergrund. Sexarbeit sei oft eine Folge des Migrationsprozesses, da mangelnde Ausbildungen, fehlende Aufenthaltstitel oder Arbeitserlaubnis kaum andere Optionen bieten. „Wir sehen oft das Arbeitsfeld Sex, Pflege und Betreuung bei Migrantinnen“, erklärt eine Mitarbeiterin von maiz, dem autonomen Zentrum von und für Migrantinnen.
Rechte statt Mitleid
Gegen das Image der armen, ausgenutzten und migrantischen Sexarbeiterin wehrt man sich in der ehemaligen Fabrikhalle dennoch. „Wir sind keine Opfer. Wir brauchen kein Mitleid, sondern Rechte“, lautet der Tenor.
Mit dem Bild der Sexarbeit als etwas rein Emanzipiertem, das jede oder jeder zum Zweck der Selbsterfüllung macht, wird aber gleichzeitig auch gebrochen. Denn das sei wiederum eine sehr privilegierte Sicht, die auch nicht die Realität für alle spiegle. „Es gibt einfach sehr viel zwischen diesen zwei Bildern. Die individuellen Gründe können sehr unterschiedlich sein“, erklärt Tyga.
In einer so diversen Community, in der Männer, Frauen und genderqueere Personen in den unterschiedlichsten Bereichen arbeiten, sei es sowieso kaum möglich, Aussagen für alle zu treffen. „Auch bei uns ist es leider oft so, dass eher die weißen, gut gestellten der Branche eine Stimme haben“, betont Luca Stevenson, Koordinator des internationalen Komitees von Sexarbeiterrechten. Viel diverser müsse das öffentliche Bild der Sexarbeit werden. Und auf der anderen Seite natürlich auch viel weniger stigmatisiert.
Weg von den Klischees
"Wenn man sich bloß nur anschaut, welche Bilder in den Medien im Zusammenhang mit Sexarbeit benutzt werden: hohe Schuhe und Netzstrümpfe, Blaulicht, leere Betten“, kritisiert Velvet Steel, die für die Konferenz extra aus Deutschland angereist ist. Was ihre Arbeit als Dominatrix am besten beschreiben würde? Ein Stapel Handtücher oder wie sie vor dem Laptop sitzt und organisatorische Arbeiten erledigt, sagt sie. „Denn daraus besteht tatsächlich ein Großteil meiner Arbeit“. Für die vielen anderen Seiten des Berufes interessiere sich die Mehrheit aber nicht. „Alle wollen immer wissen: Wie bist du Sexarbeiter geworden. Wieso machst du das überhaupt? Eine Kassiererin würde das auch niemand fragen“, sagt einer der Anwesenden.
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