Ein Rechenkönig als neuer Chef der Statistik Wien

Der 51-jährige Ramon Bauer hat die Zahl der Geburten, der Sterbefälle und andere Entwicklungen  m Blick
Ex-Musiker Ramon Bauer leitet nun die Landesstatistik Wien. Er will mit Transparenz das Vertrauen der Bürger in Zahlen steigern.

Wenn man sich einen typischen Statistiker vorstellt, ist er wahrscheinlich das komplette Gegenteil von Ramon Bauer. Dennoch ist der 51-Jährige der neue Leiter der Landesstatistik Wien, die in der MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik) angesiedelt ist.

Und zwar einer mit einem sehr ungewöhnlichen Werdegang.Bevor er in die Welt der Zahlen abgetaucht ist, hat Bauer in der Kreativ-Branche gearbeitet.

Etwa als Musiker. Im Feld der „experimentellen elektronischen Musik“, wie er sagt. Und wenn er experimentell sagt, ist es auch genau so gemeint. Eines der ersten Alben bestand ausschließlich aus Kühlschrankgeräuschen.

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Internationale Auftritte hatte Bauer zuhauf. Sogar bis nach Japan verschlug es ihn. Oder zum „Next Music“-Festival in Bratislava.

„Ich konnte davon leben“, sagt Bauer. Aber irgendwann habe er sich trotzdem gedacht, „ich brauche einen richtigen Job im Leben“. Erst im Alter von 34 Jahren begann er deshalb zu studieren: Geografie. Die Spezialisierung auf Bevölkerungsstatistik und Datenkommunikation kam schnell.

Sich gleichermaßen für Daten und Musik zu interessieren, findet Bauer „nicht so ungewöhnlich“. Denn: „Musik besteht ja auch aus Daten. Und ich habe bei meinen Auftritten immer schon mit Visualisierungen gearbeitet.“

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Daten greifbar machen

Das Visualisieren, Daten herzeigen und greifbar machen, ist auch in seiner neuen Position seine Mission. Man müsse Transparenz gewährleisten, sagt Bauer.

Denn nur so könne Vertrauen in Daten gesichert werden und Entscheidungen für die breite Bevölkerung nachvollziehbar gemacht werden. Etwas, das sich ja auch in der Corona-Krise zeige.

Nur die Daten allein öffentlich zu machen, reiche aber nicht. „Man muss auch erklären, was sie wirklich aussagen und was sich dahinter verbirgt.“

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Als Beispiel nennt er die unterschiedliche Anzahl pro Autos in den Stadtbezirken. In Wien gibt es durchschnittlich 37 Autos pro 100 Menschen.

In der Inneren Stadt sind es 100 Autos pro 100 Menschen. Die offensichtliche Ableitung, dass die Bewohner der Inneren Stadt überbordend viele Autos hätten, sei aber falsch.

„Hier sind so viele Dienstwagen angemeldet, deswegen kann man den 1. Bezirk gar nicht mit dem Rest Wiens vergleichen“, so Bauer.

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Eine Zahl sei eben nicht nur eine Zahl. Man müsse sich immer auch die Geschichte dahinter anschauen. Ein weiteres Beispiel sei die Zuwanderung.

Wien ist im Jahr 2019 um 10.000 Menschen gewachsen – durch Zuwanderung. „Die ganze Geschichte ist, dass 91.000 Menschen zugewandert sind, gleichzeitig sind aber 81.000 abgewandert.“

Ein Album als Belohnung

Dass Bauer gerne ungewöhnliche Wege geht, zeigte sich schon, als er an der Uni Wien Datenkommunikation unterrichtet hat.

„Eines meiner Musikalben heißt Rechenkönig“, erzählt Bauer, angelehnt an das Spiel aus der Volksschule, wo derjenige Rechenkönig wird, der am besten Kopfrechnen kann. An der Uni machte er auch solche Übungen, der schnellste Student bekam das Album geschenkt.

„Man muss ja irgendwie das Eis brechen und die Leute aufwecken“, sagt Bauer und fügt mit einer Prise Selbstironie hinzu: „Ob das gut angekommen ist, habe ich aber nicht hinterfragt.“

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Und wie reagiert ein Statistiker eigentlich auf das geflügelte Wort „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast?“.

„Man muss einfach wissen, wie man Statistiken richtig interpretiert“, sagt Bauer. „Darum würde ich mit einem Zitat der Schriftstellerin Marie  von Ebner-Eschenbach antworten: Wer nichts weiß, muss alles glauben.“

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