E-Roller als Stolperfalle für Sehbehinderte: Platz für Parkplätze fehlt
Entsperren, aufsteigen, losrollen – und wieder irgendwo abstellen. So einfach könnte die Handhabung von Leih-E-Rollern sein. Ist sie aber nicht. Besonders um das Parken gibt es anhaltende Kritik. Falsch abgestellte Scooter sind echte Stolperfallen. Für alle. Ganz besonders aber für blinde und sehbehinderte Menschen.
Fünf Anbieter
Die Verleiher KiwiRide, Lime, Tier, Bird und Link dürfen in Wien maximal je 500 E-Scooter in je drei definierten Zonen (1. Bezirk, 2. bis 9. und 20. Bezirk sowie alle Außenbezirke) stationieren. Im vergangenen Jahr waren die Anbieter laut Schätzungen mit jeweils 300 E-Rollern im Einsatz
142 Verkehrsunfälle
mit Personenschaden, bei denen E-Roller beteiligt waren, hat es in Wien im Jahr 2022 bereits gegeben. 2021 waren es insgesamt nur 198 Unfälle. Im Jahr 2020 waren es sogar nur 70 Unfälle
Dunkelziffer
In diese Statistik fließen laut Polizei auch Unfälle ein, bei denen Fußgänger in einen parkenden Roller gelaufen sind. Die Dunkelziffer der Unfälle dürfte aber weit höher liegen
„Das Problem ist sehr groß. Immer wieder erhalte ich Beschwerden von Mitgliedern, die sich beim Zusammenstoß mit den Rollern verletzten und sogar ins Krankenhaus müssen“, sagt Kurt Prall, Obmann des Blinden- und Sehbehindertenverband Wien. Die Dunkelziffer sei wohl noch deutlich höher. Er selbst stolpere oder verheddere sich fast monatlich in einem Roller, sagt Prall.
Keine Kontrolle
Richtig abgestellt sind E-Scooter laut Verordnung der Stadt Wien nur, wenn sie „rechtwinklig am fahrbahnseitigen Gehsteigrand“ stehen. Zusätzlich gelte auf Gehsteigen, die weniger als vier Meter breit sind, ein Abstellverbot.
Kritik vom Blindenverband gibt es dennoch: Kontrolliert werde die Verordnung nämlich kaum. Immer wieder würden E-Scooter auf Blindenleitsystemen oder an Hausmauern abgestellt, sagt Prall. Dabei seien das die zwei wichtigsten Orientierungshilfen für Sehbehinderte.
Eigene Aufklärungskampagnen, mit Flyern oder Push-Nachrichten von der App der Betreiber, hätten bisher wenig gebracht. Der Appell an die Menschen sei zwecklos gewesen, nun sei die Stadt gefordert, sagt Prall. „Die Verordnung ist zwar da, wenn sie aber nicht kontrolliert wird, ist sie zahnlos.“ Eine Lösung wäre, Parksheriffs die Verordnung kontrollieren zu lassen, sagt Prall.
Strengere Regeln oder eine neue Verordnung würden auch die Betreiber begrüßen. Am sinnvollsten seien ausgewiesene Parkplätze, sagt Patrick Grundmann, Pressesprecher vom Betreiber „Tier Mobility“. „Dafür müssten gegebenenfalls Autoparkplätze aufgelöst werden“, sagt er. Parkplätze für Scooter seien nämlich nur dann sinnvoll, wenn sie an jeder Ecke oder alle 100 bis 200 Meter zu finden sind.
Platzmangel
Ähnlich ist die Situation bei „Lime“. „Das grundsätzliche Problem in Wien ist der Mangel an öffentlichem Freiraum und der übermäßige Flächenverbrauch für das Auto“, teilt das Unternehmen mit. Zwar gäbe es bereits einige ausgewiesene Abstellflächen. Eine verbindliche Nutzung könne aber erst ausgesprochen werden, wenn es eine ausreichende Dichte an Plätzen gäbe. Bisher versuche man die Nutzung durch Gutschriften zu fördern, heißt es.
Deutschland
In Leipzig können E-Scooter nur auf dafür vorgesehene Parkflächen abgestellt werden. Allerdings behindere die geringe Parkplatzdichte auch dort die Nutzung der E-Scooter, heißt es von Tier
Frankreich
In Paris oder in Le Havre im Nordwesten Frankreichs müssen E-Scooter verpflichtend auf
Parkplätzen abgestellt werden. Andernfalls läuft die Uhr weiter und der Preis steigt
2.500Abstellflächen
betreibt die Firma Lime im Stadtgebiet von Paris. Im Schnitt müssen die Nutzer in Paris nicht mehr als 150 Meter zurücklegen, um einen E-Scooter zu erreichen, teilt das Unternehmen mit
Es fehlt also vor allem an einem: Platz. Markus Figl, ÖVP-Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, sieht das ähnlich, zieht aber andere Konsequenzen: Parkplätze für Roller könne er sich nicht vorstellen. Viel eher müsse die Zahl der Leih-E-Scooter dezimiert werden. Zudem sollten die Unternehmen die Anzahl ihrer bereits vorhandenen Sheriffs, die umgefallene und falsch geparkte Roller fachgerecht abstellen, erhöhen, sagt Figl.
Auch in anderen Städten ist das Hauptthema der Platz. Weder in Graz noch in Salzburg sollen daher in naher Zukunft Leih-E-Roller eingeführt werden. „Bei uns in der Innenstadt wimmelt es eh schon. Da bleibt einfach kein Platz“, sagt die Salzburger Stadträtin Martina Berthold (Die Grünen).
In der Wiener Stadtregierung ist man sich der Probleme bewusst – und verspricht, sich im Herbst des Themas anzunehmen. Man werde ein Konzept vorlegen, heißt es aus dem Büro der zuständigen Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Ob es eine „Parkplatz“-Lösung wie in anderen Städten gibt, sei jedoch noch unklar. Man führe derzeit Gespräche.
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