Lebenslange Haft für Mutter, die ihre drei Kinder erstickte
Urteil nach Dreifach-Kindesmord in der Donaustadt
Ginge es nach Chandra A., wäre das Urteil klar: Tod durch die Giftspritze. „Ich musste ihr erklären, dass es die in Österreich nicht gibt“, sagt ihre Anwältin Astrid Wagner. Chandra A. – sie stammt aus Nepal – ist bewusst, was sie getan hat: Am 17. Oktober des Vorjahres drückte sie in Wien ein Kopfkissen auf das Gesicht ihrer drei Kinder bis sie tot waren.
Sprachlos
Montagfrüh muss die kleine Frau mit der leisen Stimme das vor einem Geschworenengericht in Wien erklären. Doch ihre Erklärungen sind einsilbig. Zumeist antwortet sie auf die Fragen des vorsitzenden Richters Georg Olschak mit „Ja“. Die Frau steht unter starken Medikamenten. Sie ist schwer suizidgefährdet. Nur eine Aussage wiederholt sie immer wieder: „Ich wollte gemeinsam mit meinen Kindern in den Himmel gehen.“
Die 31-jährige Frau kam 2010 nach Wien. In ihrer Heimat hatte sie Mathematik, Physik und Chemie studiert. Doch die Familie machte Druck. Und schließlich willigte Chandra A. ein, eine arrangierte Ehe einzugehen – mit einem Nepalesen, der in Europa lebte. Einer „guten Partie“.
Als die Frau nach Wien reiste, heiratete sie sofort. Zwei Monate später war sie mit ihrer ersten Tochter schwanger. Eine weitere Tochter und ein Sohn folgten. „Sie war keine Rabenmutter, sie hat ihre Kinder über alles geliebt“, sagt ihre Anwältin.
Doch die Frau war nicht glücklich, wollte die Scheidung – was allerdings der Mann nicht zuließ. Sie litt an schweren Depressionen, hatte irrationale Ängste und die fixe Idee: Ihr Mann hätte bereits eine andere Frau in Nepal gefunden, die nach Wien kommen sollte und die ihre Kinder aufziehen würde. Sie müsse alleine wieder nach Nepal zurück.
Angst vor Vergiftung
An anderen Tagen war sie der Überzeugung, dass er sie vergiften wollte. „Wenn ich Brot mit nach Hause genommen habe, hat sie daran gerochen, ob Gift darin ist“, sagt ihr Mann. Jeden Tag habe es Streit gegeben. Wenige Wochen vor der Tat wurde es handgreiflich. Die Polizei musste kommen, der Ehemann wurde weggewiesen, das Jugendamt informiert. Als er zwei Wochen später zurück kam, drohte die Situation erneut zu eskalieren. Also ging er freiwillig und übernachtete bei einem Freund.
Am 17. Oktober des Vorjahres waren die Kinder gegen 9 Uhr abends bereits im Bett. Chandra A. aber konnte nicht schlafen. Der Kummer hielt sie wach. Und da, so sagt sie, fasste sie den Entschluss, sich und ihren Kindern das Leben zu nehmen. „Sie wollte mit ihren Kindern aus dieser furchtbaren, bösen Welt weggehen ins Paradies“, sagt Anwältin Wagner. Erst ging sie zu ihrem acht Monate alten Sohn, dann zu ihrer dreijährigen Tochter. Und schließlich kuschelte sie sich ins Bett ihrer Ältesten (9) um auch ihr wenig später das Kopfkissen aufs Gesicht zu drücken.
Danach wollte sie sich selbst töten. Erst ritzte sie sich auf. Doch nicht tief genug. Dann trank sie Insektengift – und erbrach es. Schließlich suchte sie einen Strick. Und fand keinen. Um 5.24 Uhr wählte sie den Polizeinotruf: „Ich habe meine Kinder getötet und bringe mich jetzt um.“ Urteil: Lebenslange Haft für Chandra A. plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher; nicht rechtskräftig.
Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.
Das österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.
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