Die Stufen zur Barrierefreiheit: Protest an Kunstuni zeigt Erfolge
Insgesamt 20 Mal hievte sich Philipp Muerling bisher aus seinem Rollstuhl auf die Treppe vor der Akademie der Bildenden Künste und zog sich am Geländer hoch. Eine Kunstperformance, die – wie der KURIER berichtete – bewusst zum Scheitern verurteilt war. Am Eingang ankommen ist Muerling nämlich nie.
Seit etwa zwei Monaten demonstriert der 34-Jährige mit vollem Körpereinsatz dafür, dass der Haupteingang der Kunstuni barrierefrei wird. Die Uni verwies zunächst auf den barrierefreien Seiteneingang in der Markartgasse und den Denkmalschutz. Damit wollte sich Muerling aber nicht begnügen, denn „echte Inklusion bedeutet, dass ich wie alle anderen Studenten auch den Haupteingang benutzen kann“, betont der 34-Jährige.
Machbarkeitsstudie
Die Kunstuni reagierte nun auf die Forderungen und informierte die Studenten via Mail über einen Dreistufenplan, der die Situation am Schillerplatz verbessern soll. „Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, anhand derer ermittelt werden soll, ob ein Stiegenlift oder eine Rampe am Eingang möglich wäre“, sagt Michaela Zach, Sprecherin der Akademie der Bildenden Künste.
Philipp Muerling zieht sich aus Protest am Geländer vor dem Haupteingang hinauf
Erste Ergebnisse werden für Anfang 2023 erwartet. Außerdem sei der barrierefreie Seiteneingang nun durchgehend geöffnet – Muerling hatte kritisiert, dass er oft bis zu 20 Minuten warte, bis der Portier die Tür öffne.
Auch wenn sich in diesem Fall einiges tut, herrscht hinsichtlich Inklusion an Hochschulen in Österreich noch Verbesserungsbedarf. Viele Universitäten – wie die Akademie der Bildenden Künste – sind in historischen Gebäuden untergebracht und stehen deshalb unter Denkmalschutz. Dass diese ’Hürde’ oft zu Herausforderungen führen kann, weiß Christine Eder, Architektin und Sachverständige für barrierefreies Planen und Bauen.
Denkmalschutz
„Bei neueren Universitätsgebäuden wie dem Unipark in Salzburg oder der Chemie-Universität in Innsbruck ist es natürlich leichter als bei der Uni Wien, barrierefreie Maßnahmen gut zu integrieren“, erklärt die Architektin. Trotzdem sei sie überzeugt, dass keine einzige Universität in Österreich zu 100 Prozent barrierefrei sei.
Mittlerweile bemühe man sich aber auch in historisch geschützten Gebäuden, die Barrierefreiheit sicherzustellen, sagt Wolfgang Salcher vom Landeskonservatorat Wien. Derartige bauliche Maßnahmen seien häufig aber sehr umständlich und mit hohen Kosten verbunden. Möglich seien sie aber fast immer, betont Salcher.
Aber nicht nur der Zugang zu Universitäten kann für Menschen mit Behinderung zur unüberwindbaren Hürde werden: „Sie sind sehr häufig von Diskriminierung betroffen“, sagt Andreas Jeitler, Obmann von Uniability, einer Arbeitsgemeinschaft zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
Juristische Tücken
Das große Problem sei dabei die Rechtsgrundlage. Laut Behindertengleichstellungsrecht können Betroffene in Diskriminierungsfällen zwar auf Schadenersatz klagen, aber vor Gericht keine Änderung einfordern. „Wenn sehbeeinträchtigte Studenten ein Tool in einem Uni-Kurs nicht nutzen können, dann ist die Universität beziehungsweise der Lehrende nicht verpflichtet, das Tool zu ändern, sondern muss im Fall einer Klage ’nur’ Schadenersatz zahlen“.
Der Uniability-Obmann ortet auch strukturelle Probleme, die Inklusion verhindern. „Jede Hochschule kann selbst entscheiden, wie sie mit der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung umgeht. Kann sich die eine Uni zum Beispiel gleich mehrere Gebärdensprachdolmetscher leisten, bekommen andere nur einen Büroraum für einen Gleichstellungsbeauftragten zur Verfügung gestellt“, erklärt Jeitler.
Im Fall von Muerling scheint sich das Blatt aber zum Guten zu wenden: „Ich hoffe, dass durch die Erleichterungen in Zukunft mehr Menschen mit Beeinträchtigung an die Uni kommen“, sagt der 34-Jährige. Momentan ist er nämlich der Einzige.
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