Echte Inklusion
Einen barrierefreien Seiteneingang – etwa 200 Meter vom Haupteingang entfernt – gibt es nämlich schon. Dessen elektrische Tür sei aber immer wieder defekt: „Es gibt ständig technische Probleme, weswegen ich oft bis zu 20 Minuten warten muss“, sagt der 34-Jährige. Außerdem wolle er – wie alle anderen Studenten auch – den Haupteingang benutzen. „Nur das ist für mich echte Inklusion“, betont Muerling.
Die Akademie der Bildenden Künste untertützt die studentische Protestaktion, Werner Skvara, Vizerektor für Infrastruktur und Nachhaltigkeit der Akademie der bildenden Künste Wien. Der barrierefreie Seiteneingan bestehe erst seit einer kürzlich erfolgten Generalsanierung des Gebäudes, sagt Skavara. In Bezug auf die fehlende Barrierefreiheit beim Haupteingang heißt es aber: "Ich betrachte den Status Quo aber auf längere Sicht gesehen nur als eine Übergangslösung."
Der Fall von Philipp Muerling ist kein Einzelfall, wie Markus Ladstätter vom Behindertenberatungszentrum „Bizeps“ erläutert: „Es wird Menschen mit Beeinträchtigung oft zugemutet, mit Erschwernissen im Alltag zu leben.“ Gründe dafür seien mangelndes Bewusstsein und die Annahme, dass beeinträchtigte Menschen eine Minderheit sind, für die man keinen Mehraufwand betreiben müsse, sagt Ladstätter.
Dabei betreffe Barrierefreiheit auch alte Menschen, Menschen mit Kinderwagen oder Menschen, die zum Beispiel aufgrund eines Unfalls kurzzeitig im Rollstuhl sind. Immer wieder werde bei Gebäuden aber auch auf den Denkmalschutz verwiesen, um bauliche Maßnahmen zu verhindern, sagt Ladstätter. So auch im Fall der Akademie der bildenden Künste. Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden ist aber im Bundesgesetz verankert, sagt Wolfgang Salcher vom Landeskonservatorat Wien. Bauliche Umsetzungen seien mittlerweile auch fast immer möglich, sagt Salcher. „Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie.“ Vor 15 Jahren habe es aber noch gereicht, wenn Menschen im Rollstuhl einen zweiten, barrierefreien Eingang verwenden, sagt Salcher. „Nun will man auch den repräsentativen Eingang barrierefrei machen.“ Lösungen dafür finde man fast immer.
Kircheneingänge
Besonders problematisch sei es aber bei Kirchen, sagt Salcher. "So gut wie jede Kirche hat Stufen vor dem Haupteingang." Das Problem kennt auch Gabriela Komoraus, Kuratorstellvertreterin der Lutherischen Stadtkirche im ersten Bezirk in Wien. „Wir hatten vor Jahren das Problem, dass die acht Stufen zum Haupteingang der Lutherischen Stadtkirche einen barrierefreien Zugang verhinderten. Menschen im Rollstuhl mussten dann oft von fremden Leuten hochgetragen werden, das war vielen Betroffenen unangenehm“, sagt Komoraus.
Als Konsequenz habe man eine fünf Meter lange Rampe und einen Lift gebaut. „Es hat aber lange gedauert, bis wir alle Bewilligungen vom Denkmalschutzamt eingeholt hatten“, betont sie. Außerdem sei es auch eine finanzielle Frage. „Wir haben damals eine Förderung von der Stadt erhalten“, sagt Komoraus.
Gespräche in Gang
Eine finanzielle Frage sind Umbaumaßnahmen oft auch bei Privatgebäuden. Änderungen an denkmalgeschützten Gebäuden können sehr kostspielig sein, sagt Salcher. Immer wieder werde der Denkmalschutz deshalb als Ausrede verwendet, weshalb kein barrierefreier Zugang möglich ist, sagt Ladstätter vom Verein „Bizeps“.
Im Fall von Philipp Muerling und der Akademie der bildenden Künste aber geht derzeit etwas voran. Die Gespräche zwischen Rektorat, der Bundesimmobiliengesellschaft und dem Landeskonservatorat sind wieder aufgenommen worden.
„Es hat immer wieder Gespräche gegeben, nun ist das Thema aufgrund des Protests aber wieder aktuell“, heißt es aus dem Landeskonservatorat. Verlaufen die Gespräche gut, könnte es sein, dass künftig auch Philipp Muerling die 14 Treppen des Haupteingangs in nur wenigen Minuten bewältigen kann.
Kommentare