Ärztemangel: Keine Kassenzahlung für Wahlärzte mehr?
Wenn man die Ärztekammer zu empörten Reaktionen provozieren will, fordert man am besten die Abschaffung des Wahlarzt-Systems. Das wusste wohl auch Andreas Huss, Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), als er ebendiesen Vorschlag in den OÖN ventilierte.
Er fordert nach deutschem Vorbild eine strikte Trennung zwischen Kassenärzten und Privatärzten, die keinerlei Zahlungen von den Kassen bekommen. Damit sollen wieder mehr Ärzte für das Kassensystem gewonnen werden, das seit Jahren unter Personalmangel leidet.
Viele Mediziner arbeiten lieber als Wahlarzt – ein Hybrid aus Kassen- und Privatmediziner, wobei die Krankenkassen den Patienten 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs erstatten.
In Wien etwa sind nur mehr 42 Prozent der Kinder-Ordinationen Kassenpraxen, der Rest – also deutlich mehr als die Hälfte – Wahlarzt-Ordinationen. Eine der Folgen: Enorm lange Wartezeiten auf einen Kassenarzt-Termin.
Schieflage
Auch Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz sieht eine massive Schieflage zulasten von Patienten mit geringem Einkommen. Denn ein Besuch sogar beim Kassenarzt kann sehr teuer werden, wenn die Ärzte zusätzlich auch Privatleistungen verrechnen wollen: „Es kommt immer wieder vor, dass Patienten wegen einer Routine-Behandlung kommen“, schildert Pilz. „Doch dann hält der Arzt plötzlich Untersuchungen für notwendig, die die Kasse nicht bezahlt. Der Patient kann kaum entscheiden, ob dies tatsächlich erforderlich ist und sieht sich unerwartet mit oft hohen Kosten konfrontiert.“
Pilz kritisiert, dass in Mangel-Fächern (z. B. Pädiatrie, Kinderpsychiatrie) mittlerweile viel mehr Wahl- als Kassenärzte ordinieren. „Man muss die Kassenmedizin stärken, durch bessere Honorierung oder Erleichterungen bei der Gründung von Gruppenpraxen und Primärversorgungszentren.“
Striktere Einschränkungen kann sie sich aber auf einer anderen Ebene vorstellen: Bei Ärzten in öffentlichen Spitälern, die sogar in Mangelfächern Teilzeit-Verträge abschließen, um mehr Zeit für ihre Wahlarzt-Ordination oder ihre Arbeit im Privatspital zu haben. „Hier ist der Gesetzgeber, aber auch der Dienstgeber gefordert“, sagt Pilz. „Schließlich kommt es durch solche Doppel-Beschäftigungen mitunter zu Konkurrenz-Situationen, die in keiner anderen Branche möglich wären.“
Huss’ Vorstoß ist nicht der erste dieser Art. Vor wenigen Jahren forderte auch Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine Beschränkung bei den Wahlärzten. Wie jetzt reagierte auch damals die Kammer mit scharfer Ablehnung. Sie fordert, stattdessen die Kassenärzte besser zu honorieren.
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