Studien verleiten tatsächlich dazu, Tintenfischen – darunter Kraken, Sepien und Kalmare – hohe kognitive Fähigkeiten zuzuschreiben. Dank des einzigartigen Gehirns und „Außenposten“ davon in jedem Greifarm gebrauchen die Ozeanbewohner Werkzeuge und öffnen im Experiment Dosen; manche machen es mit links.
Geschickte Architekten
Mit Muschelschalen und Steinen bauen die geschickten Architekten Behausungen als Unterschlupf für sich und für den Nachwuchs.
Die sensiblen Augen, die sich im Laufe der Evolution nur einmal so entwickelt haben, ermöglichen wiederum den Meistern der Tarnung, die Umgebung genau zu erfassen und sich blitzschnell anzupassen.
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Die Muster, die sie erzeugen, sind zwar nicht unendlich variabel, aber deutlich komplexer als bis vor Kurzem angenommen; die Hautzellen verhalten sich ähnlich wie Pixel eines Bildschirms.
Auch im Schlaf ändern die Fleischfresser mit dem Düsenantrieb die Farbe, die Palette reicht von Purpur bis Weiß. Da die aktiven Schlafphasen – jüngst nachgewiesen – zudem mit Körperzuckungen und schnellen Augenbewegungen einhergehen, könnten Oktopoden wie Menschen in den Rapid-Eye-Movement-Schlafphasen sogar träumen.
Keine Frage, Tintenfische sind beeindruckende Lebewesen. Doch nicht alle Experten sehen die Tiergruppe deshalb auf derselben Stufe wie schlaue Hunde, Ratten oder Menschen.
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„Es ist bekannt, dass sich das Nervensystem von Tintenfischen stark von dem anderer Mollusken unterscheidet“, sagt Oleg Simakov vom Department für Neurowissenschaften und Entwicklungsbiologie an der Uni Wien.
Genom entschlüsselt
Dem Evolutionsbiologen ist es in Kooperation mit dem Tiergarten Schönbrunn gelungen, das Genom des Hawaiianischen Zwergtintenfisches zu entschlüsseln. Dabei entdeckte er viele neue Gen-Abfolgen. Den Großteil dieser Umbauten konnte er mit dem „größten Nervensystem außerhalb der Wirbeltiere“ in Zusammenhang bringen.
„Ob die spezielle Umstrukturierung vom Stammhirn mit Intelligenz einhergeht, ist eine strittige Frage“, betont Simakov.
„Die Pop-Wissenschaft der vergangenen fünf Jahre hat teils ein falsches Bild von Tintenfischen geprägt“, ist denn auch Daniel Abed-Navandi überzeugt.
Überbewertet
Der Meeresbiologe, der sich als Wissenschafter an der Uni Wien und als Kurator im Haus des Meeres seit rund dreißig Jahren mit Oktopoden beschäftigt, hält die kognitiven Fähigkeiten der Kopffüßer für überbewertet.
Auch wenn Kraken etwa verstehen, dass eine Krabbe, die sich unter einem Stein vor dem Fressfeind versteckt, immer noch da ist, ist die durchaus beachtliche Lernkurve begrenzt: Die Tiere sterben je nach Art nach sechs Monaten bis maximal fünf Jahren. Auch verhindert ihr Dasein als Einzelgänger, das erworbene Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.
„Von Fischen über Wasservögel bis zu den Walen erbringen die Wirbeltiere der Ozeane weit mehr Hirnleistung als die Weichtiere“, sagt Abed-Navandi und fordert seriöse Studien.
Mehr wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wunderwesen Tintenfisch würde auch Georg Scattolin vom WWF begrüßen: „Die Diskussion über die Intelligenz und die Lebensweise der Tiere zeigt, dass diese Arten noch zu wenig erforscht sind.“
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