Das Wiener Geschichte WIKI: Geschichte zum Durchklicken

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47.000 Einträge stehen im historischen Online-Lexikon der Stadt Wien. Wer es speist und wie es entstanden ist.

„Abadie“ steht fett gedruckt auf Seite 1. „Zigarettenpapier- und Zigarettenhülsenfabrik. Die 1783 in Paris durch Michel A. gegr. Fa. (1789 Erzeugung des 1. Zigarettenpapiers), err. 1910 in 10, Davidgasse 92 (Generaldepot Albert Paul: 9, Türkenstraße 33) eine Niederlassung; gem. m. dem gleichzeitig err. Werk in Prag beschäftigte sie vor dem 1. Weltkrieg rd. 1000 Arbeiter.“

Der Eintrag über die Zigarettenfabrik Abadie, die später in den Austria Tabakwerken aufging, ist der erste auf der ersten Seite des ersten Bandes des „Historischen Lexikon Wien“ von Felix Czeike. Und dieser Eintrag liest sich so, wie ein typischer Lexikoneintrag eben geschrieben ist: jede Menge Abkürzungen, Verweise, Zeichen.

Es war dieses, von 1992 bis 1997 in fünf Bänden erschiene Lexikon, das den Anfang des Wien Geschichte Wiki machte.

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Der erste Eintrag im Czeike-Lexikon

Enzyklopädie

Das Wien Geschichte Wiki ist die historische Online-Enzyklopädie der Stadt Wien über die Stadt Wien. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wienbibliothek im Rathaus und des Wiener Stadt- und Landesarchivs (siehe Info-Kasten).

2014 ging es mit den ersten Einträgen online – es waren jene aus den fünf Bänden des Czeike-Lexikons. Und jene aus dem Ergänzungsband des Jahres 2004. „Wir haben uns gedacht: Eine Stadt wie Wien braucht ein historisches Lexikon, das online abrufbar ist“, sagt Anita Eichinger, Direktorin der Wienbibliothek. Sie hat das Lexikon damals gemeinsam mit einem Kollegen ins Leben gerufen.

Und das war gar nicht so einfach. Die sechs Bände von Czeikes Lexikon teilte Eichinger in gleich große 18 Portionen ein – damit jene 18 Studentinnen und Studenten, die sie extra rekrutiert hatten, die 32.000 Lexikoneinträge digitalisieren konnten. Mit allen Verweisen, aber ohne die unleserlichen Kürzel.

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Der Eintrag über die "Abadie" im Online-Lexikon der Wienbibliothek

„Das hat mehr oder weniger gut funktioniert“, sagt Eichinger. Eineinhalb Jahre dauerte es, dann gingen die ersten 32.000 Einträge online – und das Wien Geschichte Wiki war geboren.

Heute wird die Online-Enzyklopädie von einem sechsköpfigen Redaktionsteam gespeist, mit jeweils drei Mitgliedern von Wienbibliothek und Stadt- und Landesarchiv. Letzteres ist für Karten und die Einträge zu Bauwerken und Organisationen zuständig; die Wienbibliothek für Personen – also Biografien –,

Ereignisse und Sonstiges. Was das ist? Mundartausdrücke zum Beispiel.

Wer online etwas nachschlagen will, kann direkt auf der Website des Wiki nachlesen. Nicht nur einzelne Begriffe, sondern auch Schwerpunktthemen wie Kino, Rotes Wien oder Politikerinnen der 1. Republik. Viele stoßen aber wohl eher zufällig auf das Geschichte Wiki der Stadt: online – über die Google-Suche.

(K)ein klassisches Wiki

Wer etwa Karl Kraus googelt, dem werden an den ersten beiden Stellen zwei Wikipedia-Einträge angezeigt. An dritter Stelle folgt jener des Geschichte Wiki. Mit umfassender Biografie, Fotos, zahlreichen Links (etwa zu den Einträgen über das Café Griensteidl, Arthur Schnitzler oder Karl Kraus’ Zeitschrift „Die Fackel“) – und Verweisen auf die Quellen.

Das Wien Geschichte Wiki ist ein klassisches Wiki, weil nicht nur das sechsköpfige Redaktionsteam Einträge verfasst, sondern weil jede und jeder solche Einträge schreiben kann. Diese werden wissenschaftlich überprüft und wenn sie halten, auch veröffentlicht.

Ganz so klassisch ist das Wien Geschichte Wiki aber dann doch nicht. Denn – im Gegensatz zu Wikipedia, das sich fast ausschließlich über Einträge von Laien zusammensetzt – stammen die Einträge im Geschichte Wiki vor allem von den Historikerinnen und Historikern der Wienbibliothek und des Wiener Stadt- und Landesarchivs.

Wien Geschichte Wiki
Das historische Online-Lexikon  ist ein Kooperations-projekt von Wienbibliothek  und Wiener Stadt- und Landesarchiv.
Info: geschichtewiki.wien.gv.at

Wienbibliothek im Rathaus
Sie beherbergt – abgesehen von Büchern und Zeitschriften – auch Nachlässe und Bild-Bestände. Ein großer Teil des Angebots ist digitalisiert: wienbibliothek.at. Die Benützung vor Ort (1. Stock, Eingang Felderstraße) ist derzeit eingeschränkt möglich.
Info: www.wienbibliothek.at

 

 

 

Deshalb ist es auch für den Wissenschaftsbetrieb relevant, sagt Katharina Prager, Leiterin des Projekts. „Studierende dürfen aus dem Wien Geschichte Wiki zitieren.“

Derzeit läuft in der Wienbibliothek eine Ausstellung über Adolf Loos. Der schriftliche Nachlass des Wiener Architekten liegt in der Wienbibliothek, wurde für die Ausstellung kuratiert und nun für die Bibliothek digitalisiert. Verweise zu diversen Schriftstücken (etwa einem Liebesbrief von Loos an seine erste Frau Lina) finden sich dann auch in den aktualisierten Beiträgen über Adolf und Lina Loos im Wiki.

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Der Liebesbrief von Adolf Loos an Lina (li.)

Auch der Beitrag über die Zigarettenpapierfabrik Abadie findet sich – natürlich – im Wien Geschichte Wiki. Ohne Abkürzungen, dafür mit dem Foto eines Werbeplakats aus 1940. Die Wienbibliothek kuratiert nämlich nicht nur das Geschichte Wiki, sie beherbergt auch eine der größten Plakatsammlung der Welt.

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