Hier in der Zohmanngasse stand einst das Gesellenheim, in dem Bock in den 1970er-Jahren als Erzieherin gearbeitet hat. Seit 2012 hat hier der Verein seinen Sitz.
Mittlerweile gibt es eine Sozialberatungsstelle, Rechtsberatung und Ausgabestellen für Kleider, Schulsachen oder Lebensmittel. Und 80 bis 90 Flüchtlinge wohnen im Haus, bis sie arbeiten dürfen und eine eigene Wohnung finden.
„Brauchen Disziplin“
Weinberger grüßt die Bewohner im Vorbeigehen, taxiert die Lebensmittel, räumt in der Waschküche einen Socken weg. „Wenn eine Kiste an der falschen Stelle steht, fällt es ihr garantiert auf“, erzählt Pressesprecherin Maren Riebe. „Wir brauchen eine gewisse Ordnung und Disziplin“, sagt Weinberger. „Eh nicht viel. Aber ein bisschen.“
Ute Bock hat übrigens selbst in einem der Zimmer des Hauses gelebt, sie ist hier auch gestorben. Sie half rund um die Uhr, sogar jenen, die nachts an ihr Schlafzimmerfenster klopften. „Büro, Wohnung – das war bei ihr eh fast dasselbe“, erzählt Weinberger. Nicht selten sei sie über den Sachspenden eingeschlafen.
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Und für jeden gab es einen Platz. „Einmal fand ein Kollege in der Früh eine schlafende Familie auf dem Boden seines Büros“, erinnert sich Maren Riebe. Als er Bock darauf hinwies, dass dies sein Büro sei, habe sie trocken erwidert: „Ja, aber nicht in der Nacht.“
Diplomatie
„Sie hat geredet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, sie war keine Diplomatin“, erzählt Weinberger. Anders als sie selbst, sie hat nämlich tatsächlich als Diplomatin gearbeitet: 35 Jahre war sie für das Außenministerium tätig, 30 Jahre davon im Ausland, unter anderem in China, Südkorea oder Bhutan.
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Weinberger kann viel erzählen: Etwa über das Korea der 1960er-Jahre, in dem es noch keine Hochhäuser, Straßen und Züge gab. Oder über das China der 1980er-Jahre, das sich gerade erst für den Westen geöffnet hatte. Sie lernte, sich zu behaupten: „Als Frau in Schanghai akzeptiert zu werden, war damals nicht einfach.“ Fünf Sprachen beherrscht sie: Deutsch, Englisch und Französisch fließend, außerdem noch etwas Koreanisch und Chinesisch. „Und Handeln am Markt. Das kann ich überall“, scherzt sie.
„Pure Dummheit“
Was brachte sie dazu, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren? „Pure Dummheit.“ Lieber wäre sie „in Österreich in Pension gegangen“. Aber 2015 kam die Flüchtlingskrise. Weinberger ist nicht verheiratet, hat keine Kinder. „Und ich bin gesund und hatte Zeit. Da kann man nicht nur Däumchen drehen. Ich habe angefangen, mich um ein paar Familien zu kümmern. Seitdem bin ich hier.“
Freilich, Flüchtlingshilfe ist kein Thema, mit dem man Beliebtheitspreise gewinnt. „Es wird miese Stimmung gemacht“, sagt sie. „Und es wird zu wenig anerkannt, was die Menschen leisten könnten: Ich habe mindestens 30 Leute, die sofort in Mangelberufen anfangen könnten. Aber sie dürfen nicht.“
Menschen aus 17 Nationen leben im Ute-Bock-Haus. „Das große Ziel ist die Integration, da fährt die Eisenbahn drüber“, so Weinberger. Heißt: Deutsch lernen, einen Aufenthaltsstatus erhalten, eine Arbeit und eine Wohnung suchen – bei allem „helfen wir mit Händen und Füßen mit“.
"Nicht reibungslos"
Im Asylsystem laufe vieles aber nicht reibungslos. „Manche Verfahren dauern acht bis zwölf Jahre. So viel Zeit ohne Einkommen, das ist doch zum Verzweifeln für die Leute.“ Auch so mancher Bescheid sei für sie nicht nachvollziehbar: „Wir haben einen Iraker Anfang 20, ein toller Bursche. Er arbeitet ehrenamtlich im Altersheim und geht in die HTL.“ Im Irak drohe ihm, sofort getötet zu werden. Dennoch habe er bereits drei negative Bescheide erhalten.
„Hat anders gearbeitet“
Ob es eine Ehre sei, nun in Frau Bocks Fußstapfen zu treten? „Natürlich freut man sich“, erwidert Weinberger. Vor ein paar Jahren sei es im Verein noch recht chaotisch zugegangen. „Frau Bock hat anders gearbeitet als ich, ohne Budget und ohne Buchhaltung.“ Unter Weinberger wurden Fundraising, Bildungszentrum, Sozialberatung und Wohnbetreuung neu aufgestellt. „Wenn es wo hapert, braucht es einen Zerberus wie mich“, sagt sie und lacht.
Freilich, sie gelte schon als ein wenig streng. Aber sie habe auch ein gutes Herz. „Und wenn ich zurückdenke: Es war immer gut, wenn ich gekeppelt habe. Sonst wären wir auch nicht da, wo wir jetzt sind.“ Ute Bock, ist sie sicher, wäre stolz darauf.
Und wie sieht es mit ihrer Pension aus? „Nächstes Jahr werde ich 80 – schrecklich. Ich habe mir geschworen, dann nicht mehr zu arbeiten. Das ist ja unanständig.“ Aber ganz glauben mag man es ihr nicht.
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