Zu Beginn hat es Wien langsam angehen lassen, wie es sich dem Ruf der Stadt gemäß geziemt. Zehn Grünpfeile, die für Radlerinnen und Radler das Rechtsabbiegen bei Rot gestatten, wurden im ersten Monat nach Einführung der Möglichkeit in der Stadt verordnet (siehe Infobox weiter unten). Im März wurden dann aber weitere 150, vergangene Woche noch einmal 156 Tafeln angekündigt. Montiert werden sie in den kommenden Wochen.
„Ergänzend zum konsequenten Ausbau der Radwege, in den wir heuer mehr als 25 Millionen Euro investieren, macht das Rechtsabbiegen bei Rot das Radfahren in Wien noch attraktiver“, sagte Mobilitätsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) anlässlich der Bekanntgabe der dritten Tranche in einer Aussendung.
Eine Attraktivierung, die jedoch nicht in allen Teilen der Stadt gleichermaßen ankommt, wie ein näherer Blick zeigt.
Die Radlobby Wien hat ausgerechnet, wie viele Grünpfeile pro Ampelkreuzung bisher in jedem Bezirk verordnet wurden, um die Flächenunterschiede auszugleichen (siehe Grafiken). Und so zeigt sich, dass mit Mariahilf vor der Inneren Stadt und der Josefstadt ein SPÖ- vor einem ÖVP- und einem Grün-geführten Bezirk die Rangliste anführt.
Im 6. Bezirk hängt etwa an vier von fünf Ampelkreuzungen zumindest eine Tafel. Zum Vergleich: Rund 1.300 Ampelanlagen gibt es in Wien. Wenn man der Einfachheit halber mit vier Fahrrelationen pro Ampel rechnet, wären das – sehr grob überschlagen – 5.200 Möglichkeiten für Grünpfeile.
Am anderen Ende der Skala liegen drei rote Bezirke. Während es die Brigittenau und der Alsergrund auf jeweils drei Möglichkeiten zum Weiterradeln bei Rot bringen, wurde im Flächenbezirk Simmering keine einzige Tafel verordnet.
Eine Frage des politischen Willens
Dass die stark unterschiedliche Anwendung kein Zufall ist, sondern an der Prioritätensetzung abseits der politischen Farbe der jeweiligen Bezirksvorstehung liegt, zeigen die Antworten auf einen KURIER-Rundruf.
Novum
Mit der 33. Novelle zur Straßenverkehrsordnung (StVO) wurde per 1.10.2022 die Möglichkeit des Rechtsabbiegens bzw. an T-Kreuzungen auch des Geradeausfahrens bei Rot eingeführt. Erlaubt muss das von der Bezirkshauptmannschaft bzw. dem Magistrat werden, indem per Verordnung ein Zusatzschild mit grünem Pfeil angebracht wird.
Voraussetzungen
Bei Rotlicht müssen Radfahrerinnen und Radfahrer vor der Ampel anhalten und sich vergewissern, dass das Abbiegen bzw. Weiterfahren ohne Gefahr für Zufußgehende möglich ist.
Neue Vorschläge
Eingebracht werden können Vorschläge für weitere Grünpfeile von der Behörde selbst, von den Bezirken sowie von Bürgerinnen und Bürgern. Letztere wenden sich am besten an die Bezirksvertretung, diese leitet die Vorschläge dann zur Prüfung an die MA 46 weiter.
Die „Grünpfeil-Spitzenreiter“ im 1., 6. und 8. Bezirk erklären etwa unisono, die zuständige MA 46 (Verkehrsorganisation) früh gebeten zu haben, sämtliche Ampelkreuzungen im Bezirk auf die Machbarkeit überprüfen zu lassen.
Nur die Argumentation unterscheidet sich leicht: Während Markus Rumelhart (Mariahilf) und Martin Fabisch (Josefstadt) explizit auf den Wert und die Attraktivierung des Radelns verweisen, betont die stv. Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, Patricia Davis, etwas allgemeiner die „sehr aktive, vorausplanende und gesamtheitliche Verkehrspolitik“ in der City – was im Ergebnis freilich keinen Unterschied macht.
Schweigen in der Brigittenau
Aus den „Schlusslicht-Bezirken“ kommen hingegen unterschiedliche Signale – oder gar keine. Von der neuen Bezirksvorsteherin der Brigittenau, Christine Dubravac-Widholm, langte etwa keine Stellungnahme ein. Etwas überraschend angesichts der Tatsache, dass sie zuvor Vorsitzende der Verkehrskommission war und im KURIER-Interview angekündigt hatte, ihren Schwerpunkt auf Verkehrsplanung legen zu wollen.
Simmerings Bezirkschef Thomas Steinhart verwies darauf, dass in der letzten Sitzung der Bezirksvertretung vier entsprechende Anträge der Verkehrskommission zugewiesen wurden, auf deren Empfehlung man nun warte. „Natürlich werden bei Bedarf und nach Wunsch weitere Kreuzungen überprüft“, so Steinhart weiters.
Ganz anders klingt das hingegen im 9. Bezirk. „Im Bezirk sind wir uns einig: Der Alsergrund soll für Radfahrende attraktiver werden“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Büro von Saya Ahmad.
Man habe die Evaluierungsphase der Stadt abgewartet, in der Juni-Sitzung der Bezirksvertretung nun aber 21 weitere Standorte für Grünpfeile beschlossen, die derzeit von der MA 46 geprüft würden. Und: „Weitere Standorte werden folgen.“
Selbiges hat die Mobilitätsagentur für die ganze Stadt angekündigt. Die Radlobby ist in ihrem Urteil demzufolge zwiegespalten. „Wir anerkennen, dass Wien österreichweit Vorreiter geworden ist“, sagt Sprecher Roland Romano, „wenngleich wir im internationalen Vergleich hier erst am Beginn stehen“.
Lyon nähere sich etwa der 100-Prozent-Marke an Tafeln pro Ampelanlage, niederländische Städte hätten Rechts bei Rot wiederum "fast flächendeckend baulich oder per Schild umgesetzt".
Luft nach oben ist also trotz positiver Tendenz in Wien noch vorhanden. Romano: „Wir wünschen uns an allen möglichen Standorten entlang von Hauptradrouten bzw. auf Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohnern Grünpfeile.
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