Natürlich könne man nicht verhindern, dass bei so großen Bauten hin und wieder Straftaten passieren. „Das ist keine Besonderheit am Rennbahnweg, sondern ein Phänomen, das sich automatisch einstellt, wenn viele Menschen aufeinandertreffen.“ Die oft kinderreichen Familien in den Gemeindebauten seien zudem besonders von den steigenden Kosten betroffen, was bei vielen zu Existenzängsten führt, die auch Jugendliche stark belasten.
Frust braucht ein Ventil. Vandalismus ist ein wiederkehrendes Thema. „Vor Weihnachten wurden unsere Briefkästen aufgebrochen, ein Fenster wurde eingeschlagen, Schlösser von den Türen ruiniert“, schildert eine Frau. Und die Reparaturen dauern lange. Zu lange. Was einen Grund hat: „Leider gibt es bei den Eingangstüren derzeit in ganz Wien das Problem, dass es zu sehr langen Lieferzeitungen kommt“, erklärt eine Sprecherin bei Wiener Wohnen. Gleichzeitig wird bei allen Kellerzugängen und allen Stiegenhäusern ein elektronisches Zutrittssystem installiert.
Mehr Vandalismus gebe es allerdings nicht. Im Gegenteil, wird bei Wiener Wohnen betont. „Die Vandalismusakte haben seit 2018 abgenommen.“
Die Wahrnehmung ist spätestens seit der Brandserie eine andere. Brigitte Altmann wohnt seit 46 Jahren am Rennbahnweg. Genauso lange geht sie auch im angrenzenden Einkaufszentrum "EKZ Rennbahnweg 27" bummeln, wo es früher mehr Geschäfte gegeben habe. Ein Supermarkt, ein Kaffeehaus, eine Trafik und eine Apotheke – sehr viel mehr Betriebe sind nicht geblieben. In den frühen Morgenstunden wirkt das Center wie leer gefegt. Wohl fühlt sich Altmann in der Gegend nicht. „Wäre ich jünger, würde ich wegziehen“, sagt die Wienerin. Grund dafür seien nicht nur die Brände, die ihr in der vergangenen Woche unruhige Nächte beschert haben.
Auch das Zusammenleben ist nicht immer friktionsfrei. Manchmal entstehen Konflikte, doch meist sind es nur kleine Meinungsverschiedenheiten, die in den gepflegten Innenhöfen diskutiert werden.
Eine ältere Wienerin unterhält sich mit einem türkisch-stämmigen Nachbarn. „Also Deutsch sollte jeder können, der hier wohnt“, sagt sie. Ihr Gesprächspartner widerspricht. „Es gibt da keine Regeln. Ich rede zum Beispiel mit meinem Sohn nur deutsch und mit meiner Tochter türkisch. Das muss man einfach akzeptieren.“
Die Beschwerden der Bewohner landen in der Regel bei Gerald Baumgartner. Er ist Mietbeiratsvorsitzender im Gemeindebau. „Bei 9.000 Menschen auf engstem Raum kracht es schon mal zwischen Alt und Jung, Österreichern und Nicht-Österreichern. Wenn einem der gegenseitige Respekt aber fehlt, sollte man überlegen, ob ein Gemeindebau der richtige Wohnort ist“, meint der 58-Jährige. Der gemeinsame Dialog sei für das Miteinander das Um und Auf.
„Eine Oase“ sei der Rennbahnweg. Diese Bezeichnung, die man nicht zwangsläufig erwarten würde, stammt von Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ). Er ist überzeugt: „Der Ruf des Rennbahnwegs hat sich sehr gebessert. Die Leute leben gern dort, für die Größe des Gemeindebaus gibt es verhältnismäßig wenig Probleme“, sagt er.
Einen Imagewandel zum Positiven sehen auch die Mitarbeiter des Wohnservice „wohnpartner“, die als Ansprechpartner in Gemeindebauten aktiv sind. „Das Zusammenleben der Menschen am Rennbahnweg hat sich klar zum Positiven verändert“, sagt ein Sprecher.
Seit den Bränden sind auch „wohnpartner“ verstärkt unterwegs. Genauso wie die Polizei. Das Sicherheitsgefühl soll wieder gehoben werden. Nicht bei allen kommt das an.
35 Polizisten für das Grätzl
Viele Menschen auf engem Raum – ein Faktor, der auch Einfluss auf die Arbeit der Polizei hat. Aktuell versehen 35 Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst auf der Polizeiinspektion Puchgasse. Jene Inspektion, die auch für den Rennbahnweg zuständig ist. Die Brandserie hält die Beamten auf Trab.
Uniformierte und zivile Polizisten halten seither Ausschau nach dem Feuerteufel. Kollegen des Landeskriminalamts und andere Polizeieinheiten unterstützen dabei. Dass sich die Beamten schon gar nicht mehr in die Rennbahnweg-Siedlung traue, wird unter Anwohnern geraunt. Daran, betont die Polizei, ist nichts dran. „Wir sind in Wien weit entfernt von Gegenden, wo sich die Polizei nicht hinein traut.“ Man verstehe aber, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bewohner durch die Brandserie in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
Der Polizeialltag sieht allerdings anders aus. „Am häufigsten verzeichnen wir in dieser Gegend Einbruchsdiebstähle in Postkästen und Keller, Einsätze wegen Lärms aber auch Gewalt in der Privatsphäre“, heißt es bei der Polizei. Zwar gebe es mehr Einsätze als in anderen Gegenden Wiens. Das sei allerdings der großen Bevölkerungsdichte geschuldet.
Gewalttätige Jugendbanden könnte man keine feststellen, betont man. Sehr wohl aber, dass „strafbare Handlungen der Eigentumskriminalität in dieser Gegend von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen begangen werden. Wir sprechen hier von Beschaffungskriminalität.“ Eine hohe Drogenkriminalität könne man aber nicht verzeichnen. „In unregelmäßigen Abständen haben wir Einsätze wegen Cannabis-Geruchs.“
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