Bist du (E-)Moped: Warum elektrische Essensflitzer für Ärger sorgen
Von Christian Mayr
Es sieht aus wie ein Moped, fühlt sich an wie ein Moped, es fährt wie ein Moped – aber es ist gar keines. „Ich bin ein E-Bike“, steht sogar auf so manchen selbstgezimmerten Nummerntafeln dieser Elektro-Mopeds. Und weil diese überall dort unterwegs sein dürfen, wo echte Mopeds tabu sind, sorgt das für Konflikte – und zwar vor allem in Wien für immer größere.
Die Vehikel fahren auf Radwegen, gegen die Einbahn, brettern durch private Wohnhausanlagen und Innenhöfe, queren Gehsteige und parken auf ebendiesen – und das alles ganz legal.
Nicht legal, aber doch häufig ist, dass die Gefährte nachts unbeleuchtet auf Straßen unterwegs sind, auf Gehsteigen oder durch öffentliche Parks zischen und sogar auf Behindertenparkplätze abgestellt werden – eine für alle anderen Verkehrsteilnehmer nicht bloß ärgerliche, sondern mitunter auch gefährliche Konstellation. Und dass die Lenker – meist Mitarbeiter größerer Essens-Lieferanten – auch keine Helme tragen, birgt für diese ein nicht geringes Gefahrenpotenzial.
Ein Volksschüler im Stadtverkehr auf einem Moped?
Einige Hundert Exemplare solcher E-Mopeds dürften in Wien im Dienst global agierender Essenslieferanten unterwegs sein – meist gehäuft zu den Mittags- und Abendstunden. Auch wenn sie über keine Pedale verfügen, gelten sie laut derzeitiger Gesetzeslage als (Elektro-)Fahrräder, wenn sie die maximale Geschwindigkeit von 25 km/h nicht überschreiten.
Dann braucht es keine Zulassung, keine Haftpflichtversicherung, keine Kenntnis der Verkehrsregeln und keinen Helm. Und schon ab 12 Jahren darf sie jeder lenken, mit Fahrradausweis sogar schon mit Vollendung des 9. Lebensjahres. Ein Volksschüler im Stadtverkehr auf einem Moped? „Das ist natürlich viel zu früh!
In Deutschland und der Schweiz geht unter 14 Jahren gar nichts. Und natürlich braucht es für die Lenker Weiterbildung, selbst mit 17 oder 18 tut man sich schwer mit den Verkehrsregeln“, meint Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).
Der Verkehrsexperte will zwar keinesfalls neue Mobilitätsformen ausschließen, „aber wir müssen sie in den Griff bekommen. Denn das ist wirklich zum Problem geworden mittlerweile.“ Vor allem kommen beim E-Moped-Boom die schwächsten Verkehrsteilnehmer buchstäblich unter die Räder – also Fußgänger, Radler, Kinder, ältere Personen, Mobilitätseingeschränkte. „Beim Fahren auf Mischflächen passt das geschwindigkeitsmäßig nicht mehr zusammen. Und wenn die Mopeds dann abgestellt werden, gibt es Stolperfallen, mit Kinderwagen und Rollator kommt man kaum vorbei“, erörtert Robatsch.
„Alle in Europa tüfteln“
Eine Lösung des Problems gleicht der Quadratur des Kreises, an der sich freilich auch andere EU-Länder abarbeiten – schließlich will niemand eine ähnliche Entwicklung wie bei den E-Scootern zuerst übersehen, um sie nachträglich mühsam wieder einfangen zu müssen.
Da es sich „nur“ um Delikte mit Fahrrädern handelt, fallen etwaige Organmandate „im zweistelligen Bereich“ aus, wie die Wiener Polizei mitteilt. Das Fahren mit E-Moped auf dem Gehsteig kostet demnach 30 Euro; wurden dabei Fußgänger gefährdet sind 50 Euro fällig. Für mangelhafte Ausstattung, also fehlende Lichter, zahlt man mindestens 20 Euro. Teurer (bis zu 700 Euro) kann es werden, wer in Wien mit dem Zweirad durch einen Park fährt – laut Grünanlagenverordnung eigentlich verboten.
Definition: Elektro-Mopeds mit einer maximalen Bauartgeschwindigkeit von 25 km/h und einer Nenndauerleistung von bis zu 250 Watt sind laut Kraftfahrzeuggesetz als Fahrräder definiert.
„Derzeit tüfteln alle in Europa, keiner hat gerechnet, dass sich dieses Phänomen dank Corona so schnell verbreitet. Und rechtlich hinkt man dann immer hinten nach“, weiß ÖAMTC-Juristin Eva Unger. Seit Herbst befasst man sich im Verkehrssicherheitsbeirat des Verkehrsministeriums mit diesem Thema – doch eine Lösung noch in dieser Legislaturperiode gilt als „ausgeschlossen“, wie dem KURIER vermittelt wird.
Strenge regeln könnten zu Benzin-Mopeds führen
Unger, die in dieser Arbeitsgruppe sitzt, spricht von einem „sensiblen Thema“: Denn eine strengere Reglementierung der E-Mopeds könnte wiederum bewirken, dass stattdessen gleich Benzin-Mopeds zum Einsatz kommen – „und das will niemand in der Stadt“. „Man muss versuchen, Regeln zu finden, damit es einfacher und verständlicher wird. Je besser es ankommt, desto eher wird es dann auch befolgt“, meint Unger.
Allerdings sind die Positionen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer und Parteien ganz unterschiedlich – das zeigt sich etwa bei der Radwegnutzung. Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) möchte etwa die breiteren und schwer zu überholenden E-Mopeds ganz von den städtischen Radwegen verbannen und fordert eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung; ein solcher Antrag Wiens auf der Landesverkehrsreferentenkonferenz vergangenen Sommer fand aber keine Mehrheit; und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) scheint als Förderin von Elektromobilität ohnedies auf der Bremse zu stehen.
Indes forderte die Wiener Radlobby Sima auf, selber tätig zu werden und Radwege ohne Benützungspflicht auszuschildern – dann, so die Hoffnung, würden E-Moped-Lenker vermehrt (und ganz legal) auf Straßen ausweichen.
Vor Begegnungen auf dem Gürtel zwischen Autos und den nur halb so schnellen E-Mopeds warnen aber Verkehrssicherheitsexperten wie Robatsch: „Wo 50 km/h oder mehr gefahren wird, ist ein Miteinander nicht sinnvoll – dort braucht es eigene Radfahranlagen. Nur in 30er-Zonen wäre das kein Problem.“ Würden sich alle E-Mopeds nur noch auf Fahrbahnen fortbewegen, würde das die ohnehin hohen Unfallzahlen nur noch weiter nach oben schnellen lassen, zumal es zuletzt schon „eine wahnsinnige Zunahme“ auf rund 10.000 Verletzte pro Jahr (E-Bikes und -Mopeds) gegeben habe, so Robatsch.
„Viele sind schneller als erlaubt“
Der KFV-Experte hat vor allem drei Vorschläge, die rasch Abhilfe schaffen könnten: Zum einen sollte das Maximaltempo auf 20 km/h „wie in anderen Ländern“ reduziert werden: „Dann passt das auch zu den schmalen Radwegen und zum Radverkehr, der im Schnitt so 20 km/h hat.“ Zum anderen brauche es eine Helmpflicht für alle E-Bike- und E-Moped-Lenker, da das Risiko eines Schädel-Hirn-Traumas sieben Mal so hoch wie ohne Helm sei. Und drittens seien die Behörden massiv gefordert, weil viele dieser E-Mopeds schneller als erlaubt seien und damit eigentlich in die zulassungspflichte Moped-Kategorie bis 45 km/h fallen würden. „Das ist eigentlich die wichtigste Aufgabe der nächsten Zeit, denn Sicherheit ist immer eine Frage der Geschwindigkeit“, mahnt Robatsch.
Aus dem Büro von Ministerin Gewessler heißt es dazu, dass es die „abschließenden Ergebnisse“ des Arbeitsausschusses zur „Mikromobilität“ zunächst abzuwarten gelte. Ein Zeitplan wird nicht kommuniziert. Allerdings: „Eine Helmpflicht für Fahrräder inkl. E-Mopeds ist derzeit nicht geplant.“ Im Wiener Rathaus will man „den Druck bei diesem Thema nun erhöhen“: „Es braucht hier rasch entsprechende Änderungen auf Bundesebene!“, so das Sima-Büro. Dass das Problem von selber wieder verschwindet – wie etwa in den 1990ern die Inline-Skates –, das glauben nämlich die Wenigsten.
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