Es ist genauso wie bei einem Fußballspiel: Man merkt sich immer die negativen Sachen. Das Negative ist für manche auch eine gute Schlagzeile – noch mehr, wenn vielleicht noch ein ausländischer Name dabei ist. Ich habe mal eine Studienarbeit darüber gelesen, dass Favoriten bei Negativberichterstattung viel häufiger genannt wird als andere Bezirke, obwohl es sich um die gleichen Vorfälle handelt.
Ist das Waffenverbot am Reumannplatz dann gerechtfertigt?
Seit der letzten Waffengesetz-Novelle dürfen Drittstaatsangehörige und Asylwerber sowieso keine Stichwaffen mit sich führen. Aber wenn das Verbot hilfreich ist, dann unterstütze ich das natürlich.
Hätten Sie einen anderen Vorschlag?
Wir haben im Österreich-Schnitt 333 Polizisten für 100.000 Bewohnerinnen und Bewohner. In Favoriten haben wir für 220.000 Bewohnern nur 319 Polizisten. Diese machen hervorragende Arbeit und auch viele Überstunden. Aber man kann mit 319 Polizisten nicht die selbe Sicherheit gewährleisten wie andere Städte, die viel mehr haben. Dementsprechend würde ich mich freuen, wenn wir gerecht behandelt werden würden, was die Zuteilung von Polizisten betrifft.
Sie haben vorhin über Favoriten in den Medien gesprochen. Reden wir doch auch über die Rolle Favoritens in der Politik. Der ÖVP-Innenminister erlässt ein Waffenverbot, FPÖ-Chef Kickl teilt Videos über das gefährliche Favoriten. Warum ist gerade der 10. Bezirk zum Politikum geworden?
Favoriten ist die Wiege der Sozialdemokratie. Vielleicht möchte man da in das Mark der Sozialdemokratie hineinbohren. Jörg Haider hat das schon gemacht und seine Kundgebungen am Viktor-Adler-Markt abgehalten.
Wie wollen Sie es schaffen, dass die Sozialdemokratie in dieser Wiege die stärkste Kraft bleibt?
Von meinem Wesen her bin ich immer auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber und verurteile niemanden aufgrund seiner Herkunft oder Religion. Wie ich behandelt werden möchte, versuche ich auch andere Menschen zu behandeln – auch den Mitbewerber. Durch diesen Austausch auf Bezirksebene versuchen wir, das Miteinander zu fördern und viele Projekte umzusetzen. Bei vielem muss ich aber auch ehrlich sagen, dass es nicht in die Zuständigkeit des Bezirksvorstehers fällt, sondern in die Landes- oder Bundesverwaltung oder sogar in die EU-Gesetzgebung. Ich sage immer, der Bürgermeister aus Wilmersdorf hat mehr Befugnisse als der Bezirksvorsteher der drittgrößten Stadt. Lösungen liegen oft leider nicht in der Bezirkspolitik, sondern woanders.
Wollen Sie mehr Befugnisse ?
Das ist immer ein zweischneidiges Schwert. Wir haben etwa keine Personalkosten, weil wir kein Personal haben. Aber was ich mir wünsche, ist eine sachliche, keine polemische Diskussion, und dass wir die Unterstützung bekommen, die wir eigentlich brauchen.
Wären Sie manchmal lieber Bezirksvorsteher eines einfacheren Bezirks?
Manchmal denke ich mir, jeder Bezirksvorsteher bekommt das gleiche Geld, bei manchen ist es vielleicht einfacher als in Favoriten – auch wenn jeder Bezirk seine eigenen Problemstellungen hat.
Aber Sie wollen in Favoriten bleiben?
Ja. Wenn es einfach wäre, dann könnte es ja jeder machen.
Der rote Bürgermeister Michael Ludwig ist mit dem pinken Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und dem türkisen Landesparteiobmann Karl Mahrer zum Reumannplatz gekommen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Rücken die Parteien näher zusammen?
Vielleicht bereut Herr Mahrer manche Aussagen aus der Vergangenheit. Man kann bekritteln, dass syrische Zuwanderer, die durch Drogendelikte auffallen, finanzielle Unterstützung bekommen. Aber zu kritisieren, wenn sie Gewerbescheine lösen und auf Märkten ihren Handel betreiben, das geht sich dann nicht mehr aus. So etwas stärkt nur die Rechtspopulisten.
Sie haben kürzlich gesagt, Zinshäuser spielen eine spezielle Rolle bei der Flüchtlingsthematik. Was meinen Sie damit?
Es hat mal eine Begehung gegeben, wo man in einer kleinen Wohnung 13 Personen – Männer, Frauen und Kinder unterschiedlicher Nationalitäten – auf Matratzen untergebracht hat. Jeder für 200 Euro. Das ist eine Ausbeutung von geflüchteten Menschen. Sie sind in Räumen mit Menschen, mit denen sie nicht verwandt sind, und sind dort nur zum Schlafen. Es ist stickig und unhygienisch. Natürlich müssen sie den Großteil ihrer Tagesfreizeit im öffentlichen Raum verbringen, zum Beispiel am Reumannplatz.
Wie müsste man dem entgegenwirken?
Man muss schauen, wie man junge Menschen und zugewanderte Familien bedarfsorientiert unterbringen kann. Da gibt es keine Lenkung. Und es gibt natürlich auch eine Diskriminierung am Wohnungsmarkt. Wenn der junge Mann Muhammed aus Aleppo telefonisch anfragt, ob die Wohnung frei ist, dann wird er wahrscheinlich eine Ablehnung bekommen. Dann kommt er in solchen Quartieren unter.
Ist dieses Problem in Favoriten größer als in anderen Bezirken?
Es wird in allen Bezirken solche Strukturen geben. Rund um den Reumannplatz nehmen wir es verstärkt wahr. Ich würde mir wünschen, dass man wirklich von Haus zu Haus geht und das auch aufzeigt.
Was wissen die meisten nicht über Favoriten?
Mein Lieblingsfakt: Im Rautendach des Hauptbahnhofes ist genauso viel Stahl verbaut wie im Eiffelturm in Paris. Favoriten wird heuer außerdem 150 Jahre alt . Wir haben auch damals schon Zuwanderung gehabt. Der Großteil der Menschen hier im Bezirk will gemeinsam in Frieden zusammenleben.
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