Auch die Höhe der Dunkelziffer sei nicht abzuschätzen, sagt Steirer. Intensiviert wurde die Überwachung der Donauufer im Jahr 2017, nachdem eine versuchte Vergewaltigung das Donauinselfest überschattet hatte. 2018 rief die Stadt Wien die Aktion „Ich bin dein Rettungsanker“ ins Leben. An der Donau, in Wiener Freibädern, Clubs und an anderen halböffentlichen Orten wurde verstärkt auf sexuelle Belästigung geachtet.
Auf der Donauinsel wurden mobile Inselteams darauf geschult, einzugreifen, wenn sie Übergriffe oder Belästigungen sehen. Mit dem Rad fuhren die 20 Mitarbeiter der Wiener Gewässer an der Donau entlang und kontrollierten die Ufer. Wie oft seither eingegriffen wurde, lässt sich schwer in Zahlen ausdrücken. „In den Workshops werden die Mitarbeiter für spezielle Situationen geschult. Wenn zum Beispiel eine Männergruppe ertappt wird, wie sie Frauen anstarren, dann gehen die mobilen Inselteams dazwischen“, sagt Laura Wimmer vom Frauenservice.
Laut einer internationalen Studie der European Union Agency for Fundamental Rights hat jede dritte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Was können Betroffene also tun?
„Frauen müssen sich zunächst bewusst werden, dass es auch beim Anstarren oder Catcalling um sexuelle Belästigung geht. Manche denken sich dann, das war ja eh nichts und verdrängen das Erlebte“, sagt die Expertin.
Dass es Frauen oftmals schwerfällt, ihre Erfahrungen einzuordnen, oder sie schlicht und ergreifend an sexuelle Belästigungen gewöhnt sind, bestätigte ein Lokalaugenschein an der Donau. „Auf Catcalls reagiere ich mittlerweile schon gar nicht mehr, und es ist mittlerweile fast normal, wenn dich ein Typ beim Umziehen beobachtet“, erzählt Jana, die regelmäßig mit ihren Freundinnen auf der Donauinsel badet. „Vorher zum Beispiel, als wir aus der U-Bahn ausstiegen, rief uns ein Typ zu, dass er wisse, dass wir ihn wollen. Und dass wir uns doch zu ihm setzen sollen“, wirft ihre Freundin ein.
Ein paar Meter weiter liegt Anna, die zum ersten Mal an der Donau ist. Ihr Handtuch hat sie nicht direkt am Wasser ausgebreitet, sondern an einem Platz, der durch Gestrüpp geschützt ist. Eine bewusste Entscheidung: „Ich wollte mich nicht an den Strand legen, dort hätte ich mich ausgesetzt gefühlt. Die Männer sind nicht gerade respektvoll, was ihre Blicke betrifft“, berichtet die junge Frau. Sie ist allein hier.
Was können Betroffene in konkreten Situationen tun? Viele Frauen zweifeln an, dass es einen Zweck hat, in Fällen von sexueller Belästigung eine Anzeige gegen unbekannt zu machen. „Das ist eine individuelle Entscheidung. Manchen Betroffenen kann eine Anzeige sicher beim Verarbeiten helfen, weil man so bewusst etwas dagegen tut“, erklärt Wimmer.
Beobachtet man als Außenstehender brenzlige Situationen, empfehlen Expertinnen vom 24-Stunden-Frauennotruf, die Opfer zu fragen, ob sie Hilfe brauchen. Um nicht zur Eskalation einer Situation beizutragen, kann eine Bekanntschaft mit dem Opfer vorgegeben oder das Opfer um eine Wegbeschreibung gefragt werden. Der Täter sollte nicht direkt angesprochen, nicht geduzt und angegriffen werden. Droht die Situation zu eskalieren: „Immer die Polizei rufen“, rät Laura Wimmer.
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