Auf einen Kaffee mit dem Wiener Aufzug-Sammler
Das was Christian Tauss nicht haben will, ist ein „fades Museum“. Er will Geschichten, Geschichten die das Leben in oder rund um Aufzüge schreibt.
Er hat 15 Aufzugkabinen (sein jüngstes Stück ist Baujahr 1935, das älteste 1901) und zwei historische Paternoster (bzw. Kabinen davon) gerettet. Möglich gemacht hat das neben seinem handwerklichen Geschick auch das „Wiener Aufzug Museum“. „Das habe ich kreiert und auf Visitenkarten gedruckt – Wiener Aufzug Museum macht schon was her“, erklärt der 36-Jährige. Einfach zu sagen, dass er Aufzüge sammelt, hätte viele Eigentümer wohl kaum überzeugt, meint er. Die Visitenkarten und ein ansehnlicher Online-Auftritt (www.aufzugmuseum.at) öffneten ihm so manche Eingangstür von alten Wiener Wohnhäusern.
Prunkstück der Sammlung
Baujahr 1906, 1020 Wien: Lag seit 1945 im Dornröschenschlaf, bis er 2016 wach geküsst wurde.
Der 2. der Sammlung
Baujahr 1911, 1050 Wien: Original in Betrieb bis 2012. Nur nach oben fahren war möglich.
Der 1. der Sammlung
Baujahr 1904, 1040 Wien: Die Kabine wurde von den Architekten O. Neumann und A. Baron beim Bau des Hauses mitentworfen.
In Eigenregie hat er mit seinem Team aus Freunden und Handwerkern die Aufzüge ausgebaut. „Bezahlen musste ich zum Glück nichts dafür“, erzählt der Elektrotechniker. Arbeitskraft gegen Material also. Heute würde das schon anders sein, nur wenige würden noch in so manchem Stadthaus „schlummern“, von vier Stück weiß er.
Gesetzesnovelle
Seinen ersten Aufzug hat Tauss im Gebäude des Schikaneder Kinos im 4. Bezirk ausgebaut. Das war 2012. „ Ich wollte einen haben für mein eigenes Haus. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Damals stand eine Novelle bevor. Der Betrieb dieser alten Lifte war dann nur noch bei entsprechender technischer Aufrüstung erlaubt. Eine neue Liftanlage war da die kostengünstigere Lösung“, blickt er zurück. Er spricht von einem „Glassturzdenken“, das er damals hatte. Er wollte die Anlagen ausbauen und so die gute alte Zeit bewahren. Doch die gute alte Zeit gibt es nicht, wie Tauss heute weiß.
Bei den Aufzügen sei oft gestanden: „Benutzung ist für Dienstpersonal untersagt“. Der Kenner erzählt: „Während ein Aufzug heute für Barrierefreiheit sorgen soll und jedem zugänglich ist, war er früher ein Luxusgut mit Fahrpersonal. Das Pendant zur Kutsche.“ Die Herrschaften haben geklingelt, man gab das Stockwerk bekannt, die Kabine wurde „aufgezogen“, also von Hand gesteuert. Meistens ist es damit nur nach oben gegangen. Erst ab dem 20. Jahrhundert haben sich Drucktasten etabliert, wodurch man selbst bestimmen konnte, wohin es geht. „Ein Sinnbild für die Herrschaft über eine Maschinerie mit nur einem Tastendruck.“
Durch Gespräche in den Stiegenhäusern habe er vieles erfahren. Die Geschichten seiner Aufzugkabinen will er erzählen. Gemeinsam mit seinem Team hat Tauss Videos produziert – er selbst ist dafür in die Uniform eines Liftboys geschlüpft – die die historische Bedeutung vermitteln. Seit 2019 gibt es in seinem Depot im nö. Orth/Donau einen Tag der offenen „Aufzugtür“ des Wiener Aufzug Museums.
Gesellige Kabinen
Noch lieber als alte Geschichten zu erzählen, will er mit den Kabinen neue schreiben. Deshalb steht eine Pop-up-Kabine, Baujahr 1908, aus einem Haus am Praterstern, die ab 1960 nicht mehr in Betrieb war, zurzeit im Café Comet im 7. Bezirk. Darin kann man Platz nehmen und etwas trinken. „Bankerl waren damals üblich in Aufzügen. Ich habe sie verbreitert, damit sie bequemer ist“, erzählt Tauss, der das Restaurieren nach alter Tradition zu seinen Leidenschaften zählt. Während er selbst im Comet einen Schluck von seinem Cappuccino nimmt, genießt er, es zu sehen, wie andere in der Kabine sitzen.
„Jetzt spüre ich das Lebendige am Projekt, es ist nicht mehr nur das Vergangenheitsverliebte“, sagt der Sammler und will seine Aufzüge nach und nach ins Leben integrieren. Im April eröffnet er deshalb sein „Wiener Aufzug Café“ unweit vom Belvedere (Wiedner Gürtel 4, 1040 Wien). Zwei Kabinen erwarten die Gäste, dazu noch Teile von einem der Paternoster – dort kann es dann wieder heißen: „Aufzug bitte!“
Wien
Rathaus, 1010
Haus der Industrie, 1030 (der älteste Paternoster Österreichs, seit 1911 läuft er durchgehend)
Bürogebäude Trattnerhof, 1020
Wiener Städtische Versicherung, Ringturm 1010 und Liebermannhof 1020
Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, 1060
Klagenfurt
Hauptverwaltung der KELAG
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