Angeblich SS-Lied am Grab gesungen: "Standard" muss FPÖ-Abgeordneten 20.250 Euro zahlen

Prozess üble Nachrede
Es war der 27. September des Vorjahres am Hernalser Friedhof in Wien: Walter Sucher, Mitglied der schlagenden Burschenschaft Olympia und ehemaliger FPÖ-Politiker wurde zu Grabe getragen.
Am Grab, so wünschte es sich der Verstorbene, sollte das Lied "Wenn alle untreu werden" gesungen werden.
Ein Lied, das - in leicht veränderter Version - das Treuelied der SS war.
Bei dem Begräbnis waren auch mehrere Politiker der FPÖ anwesend. Konkret die Nationalratsabgeordneten Martin Graf, Harald Stefan und Norbert Nemeth.
Der Standard berichtete zwei Tage vor der Wahl darüber. Die FPÖ-Politiker klagten nun wegen übler Nachrede.
Ob die FPÖ-Politiker bei dem Lied mitgesungen haben, bleibt unklar. Stefan und Nemeth beantworten die Frage des Richters dazu nicht. Graf ist krankheitsbedingt nicht beim Prozess anwesend. Doch darum geht es nur am Rande.
Lied mit Geschichte
Das Lied, so lernen Zuhörer im Zuge der Verhandlung, ist bereits mehr als 200 Jahre alt. Unter anderem wird vom "Heiligen deutschen Reich" gesungen. Doch Bezug zur NS-Zeit habe das nicht. Und diesen Konnex, so sagen Nemeth und Stefan, hätten sie auch nie gezogen.
"Ich kenne dieses Lied, seit ich mit Studentenverbindungen in Kontakt bin", sagt Stefan, ehemaliges Mitglied der Burschenschaft Olympia. "Ich habe es immer als sehr positives Lied empfunden. Es drückt die Freundschaft aus, den Zusammenhalt."
Ähnlich die Erklärung von Nemeth (Olympia und Vandalia): "Das Lied besingt die Bundesbrüderlichkeit und symbolisiert die Lebensfreundschaft."
Heino singt es auch
"Sogar Heino singt es", sagt Rechtsanwalt Christoph Völk. "Das Lied findet sich in zahlreichen Liederbüchern. Aber der Standard erhebt hier den Vorwurf, dass auf einer öffentlichen Beerdigung der SS gehuldigt worden sei."
Doch ausgerechnet jener Mann, der an diesem Tage beerdigt wurde, fiel mit einschlägigen Aussagen in der Vergangenheit auf. So beendete Sucher eine Rede bei einem Parteitag der FPÖ mit dem Wort "Heil". "Das war nicht irgendwer. Er hatte politisch eine sehr rechte Gesinnung", betont Michael Pilz, Rechtsanwalt des Standard.
Nach Veröffentlichung des Artikels jedenfalls wurde auch die Staatsanwaltschaft Wien darauf aufmerksam. Die Auslieferung der drei Abgeordneten ist beantragt. Ein Ermittlungsverfahren nach dem Verbotsgesetz wurde eingeleitet. "Als Justizsprecher habe ich das Verbotsgesetz mitverhandelt", schüttelt Stefan den Kopf.
Der Richter kommt schließlich zu der Überzeugung: Der Tatbestand der üblen Nachrede ist erfüllt. "Es wurde berichtet, dass die von den Nazis veränderte Version gesungen worden ist." Dabei sei die Passage vom "Heiligen deutschen Reich" bereits in der 200 Jahre alten Version zu finden.
Der Standard meldete volle Berufung gegen das Urteil an.
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