Abschiebung von Tina nach Georgien war rechtswidrig
Am 28. Jänner vergangenen Jahres wurde die Schülerin Tina, ihre damals fünfjährige Schwester sowie ihre Mutter nach Georgien abgeschoben. Wie der Anwalt der Familie Wilfried Embacher Montagfrüh auf Twitter berichtete, war die Abschiebung rechtswidrig.
Das habe das Bundesverwaltungsgerichtshof (BVwG) aufgrund der eingebrachten Maßnahmenbeschwerden entschieden. Auf KURIER-Anfrage kommentierte Embacher die BVwG-Entscheidung als "ziemlich präzise Darstellung und richtige Anwendung der Rechtslage".
Der Asylbescheid und die Rückkehrentscheidung standen dabei nicht zur Debatte, hier war der Rechtsweg bereits ausgeschöpft. Gegen dieses Urteil des BVwG als Erstinstanz könnte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) noch Revision einlegen. Darüber hätte dann der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu entscheiden.
Das BVwG verweist in seinem der APA vorliegenden Urteil darauf, dass die in Wien geborene Tina bis zu ihrer Abschiebung mehr als zehn Jahre ihres Lebens in Österreich verbracht und somit „ihre grundsätzliche Sozialisierung“ hier erfahren habe. Es sei daher von einem „sehr ausgeprägten Bezug“ zu Österreich auszugehen.
Sie habe sich zum Zeitpunkt der Abschiebung auch nicht mehr in einem „anpassungsfähigen Alter“ befunden. Vielmehr sei von einer „bereits starken Verwurzelung“ in Österreich auszugehen und dass nur ein geringer Bezug zu Georgien bestehe. Der Vollzug der Abschiebung erwies sich für das BVwG ohne erneute Abwägung des Kindeswohls als „unverhältnismäßig“.
BFA kündigt Revision
Das BFA kündigte in einer Stellungnahme gegenüber der APA an, dass es „aus heutiger Sicht vermutlich eine Revision einlegen“ werde. Den Vorwurf, ohne erneute Abwägung die Abschiebung vollzogen zu haben, wies das BFA zurück und betonte, dass die letzte Prüfung über die Zulässigkeit unmittelbar vor der Abschiebung stattgefunden habe. Das Bundesamt stellte auch fest, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung zur Ausreiseverpflichtung die Mutter vier Abschiebeversuche vereitelt habe.
Das könne man zwar den Kindern nicht vorwerfen, aber in einem Rechtsstaat könne nicht akzeptiert werden, dass man durch rechtswidriges Verhalten Vorteile erhalte. Und dass sich Tina zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht mehr in einem anpassungsfähigen Alter befand, sei auch nur deshalb der Fall, weil sich die Mutter jahrelang sämtlichen Abschiebeversuchen entzogen habe.
Embacher nannte die Argumente des BFA im KURIER-Gespräch als "völligen Schwachsinn, weil die genau nichts geprüft haben".
Damals demonstrierten zahlreiche Menschen für Tina vor dem Familienabschiebezentrum und versuchten mit Sitzblockaden die Einfahrt zu blockieren. Gegen fünf Uhr früh wurde der Protest dann von WEGA-Beamten aufgelöst. Bereits Tage zuvor hatten Lehrer, Freunde, aber auch Teile der Bevölkerung gegen ihre Abschiebung protestiert. Ihre zwangsweise Außerlandesbringung hatte damals auch Verwerfungen in der Türkis-Grünen-Koalition und eine Debatte über Kinderabschiebungen ausgelöst.
Nehammer: An meiner Einstellung hat sich nichts geändert
"Entscheidend ist, was das BFA dazu sagt", sagte Bundeskanzler und damalige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Rande eines Tirol-Besuchs auf das Erkentnnis des BVwG angesprochen. Ihm sei rund um die Abschiebung unterstellt worden, er hätte humanitäres Bleiberecht aussprechen können, was aber nicht der Fall gewesen sei. "An meiner Einstellung von damals hat sich nichts geändert", fügte er hinzu.
SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderte eine Entschuldigung des damaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers. Außerdem müsse das Innenministerium „umgekrempelt“ werden und sämtliche Empfehlungen der Kindeswohlkommission müssten sofort umgesetzt werden, verlangte Einwallner in einer Aussendung.
Die NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, zeigte sich über die Entscheidung erfreut. Es sei aber auch „tragisch, dass es in einem Rechtsstaat überhaupt so weit gekommen ist“, hielt sie gegenüber der APA fest. Das BVwG-Urteil sei auch ein Urteil über das Verhalten des damaligen Innenministers Nehammer. Denn während auf Basis der geltenden Rechtslage Tina und ihrer Familie zur Wahrung des Kindeswohls ein humanitäres Bleiberecht zugestanden wäre, habe dieser sogar nach einer Prüfung an der falschen Position festgehalten, beklagte Krisper.
Krisper fordert, für ähnlich gelagerte Fälle ein unabhängiges Kinderrechte-Monitoring einzurichten. Bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht sollten darüber hinaus die betroffenen Länder bzw. Gemeinden künftig stärker eingebunden werden. Der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) forderte in einer Stellungnahme Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf, dieses Unrecht wieder gut zu machen.
Schülervisum abgeholt
Im Februar 2021 flog die Familie Richtung Georgien. Dort musste die Schülerin 13 Monate lang die 3. Klasse des Gymnasiums in der Hauptstadt Tiflis besuchen, obwohl sie kaum Georgisch spricht.
Ende Dezember war die damals wohl bekannteste Schülerin des Landes nach Wien zurückgekehrt und befand sich einige Tage lang mit einem Tourismusvisum in Wien. Rund zwei Monate nach ihrer Wiedereinreise konnte sie ihr Schülervisum abholen. Seit ihrer Rückkehr nach Wien lebt sie bei einer Gastfamilie. Ihre Schwester und die Mutter blieben in Georgien.
Wann die Familie nach Österreich zurückkommt, sei nicht bekannt. "Unser Ziel ist es, dass die Sechsjährige ab September zur Schule in Wien geht", sagte Embacher.
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