86-Jähriger wegen Mordversuchs vor Gericht: "Ich wollte nur Fernsehen"

Symbolbild
Der Prozess offenbarte eine zerrüttete Familie. Das Gericht sprach den Angeklagten vom Mordversuch frei.

Der 86-jährige Herr D. kommt am Donnerstag mit dem Rollator in den Gerichtssaal im Landesgericht für Strafsachen in Wien und nimmt auf der Anklagebank Platz. "Verstehen Sie mich?", fragt ihn die vorsitzende Richterin. 

"Ich glaube, ja", sagt der betagte Angeklagte und hält die Hände an die Ohren. Doch schnell stellt sich heraus: Herr D. versteht nicht alles. "Darf ich weiter nach vorne kommen?", fragt er. Herr D. sitzt schließlich von Angesicht zu Angesicht zur Richterin.

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Der Senior (vertreten von Rechtsanwalt Florian Kreiner) ist wegen Mordversuchs an seinem Sohn angeklagt. Im vergangenen Juli hielt er ihm in der Garage eine Schusswaffe an den Kopf - das gibt der Mann auch zu. Es löste sich aber kein Schuss - die Waffe war gesichert. 

Dicke Luft

Schon seit Jahren herrschte im Hause D. dicke Luft. Der Mann lebte mit seiner Ehefrau (von der er sich mehrmals hatte scheiden lassen - und sie immer wieder heiratete) und dem gemeinsamen Sohn zusammen. "Konfliktbeladen und angespannt", beschreibt die Staatsanwältin die Stimmung. 

"Es hat alles so lange funktioniert, bis sie begonnen haben, mir alles zu Fleiß zu machen", erzählt der Angeklagte. "Einmal war ein Schloss verklebt, dann hat meine Frau gesagt, ich komm ihr beim Essen zu teuer. Und einmal hab ich beim Fernschauen einen Kübel Wasser drübergeschüttet bekommen. Ich wollt nur in Ruhe Fernsehen. Aber dann haben sie mir die Programme verstellt." Er habe sich schon für einen Platz im Pensionistenheim beworben - dann wäre er ausgezogen.

Weinflasche über den Kopf

Schon in der Vergangenheit kam es auch zu körperlichen Übergriffen. Einmal zog der Vater dem Sohn eine Weinflasche über den Kopf. Die Polizei sprach bereits gegen beide Männer Wegweisungen aus. Zudem gab es ein Waffenverbot.

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Er hätte seinen Sohn nicht umbringen wollen, erklärt der Mann. "Wenn ich das wirklich will, sag ich nicht vorher zu ihm: "Du Hundsviech, jetzt derschieß ich dich." Er habe gewusst, dass die Waffe gesichert sei und dass nichts passieren könne, beteuert er. 

Der Nachbar jedenfalls hörte Hilferufe und sah nach dem Rechten. "Der Herr D. ist auf der Erde gelegen. Der Sohn hat gesagt, dass er über den Rollator gestolpert ist." Waffe sah er keine. "Aber der Sohn ist mit einem Fuß auf ihm gestanden."

Dass es immer wieder Konflikte gab, bekam auch der Nachbar mit. "Der arme Mann ist nur geschimpft worden von der Familie." Zum Abschied verabschiedet er sich vom Angeklagten mit den Worten: "Mach's gut, mei Bua."

"Gestänkert, gestichelt"

Anders klingen die Schilderungen des Sohnes und der Ehefrau. "Wir sind nicht gut miteinanderausgekommen. Das war schon von kleinauf so", beschreibt der 52-Jährige, der im Rollstuhl kommt. Der Vater habe nie im Haushalt geholfen. "Das hab' ich alles mit der Mamsch gemeinsam gemacht", schildert er. Die Mutter sei er regelmäßig "angegangen". "Der Vater hat zwei Seiten. Da müssen Sie aufpassen", sagt er zur Richterin.

Die 76-jährige Ehefrau beklagt, dass das Zusammenleben "schrecklich" gewesen sei. "Mein Mann hat immer nur gestänkert, gestichelt, gestänkert, gestichelt. Mein Wunsch ist, dass der Mann für den Rest seines Lebens ins Gefängnis kommt und ich hoffe, dass ich ihn nie wiedersehen muss."

Das Geschworenengericht kommt zu dem Ergebnis: Es war kein Mordversuch. Der Mann wird wegen gefährlicher Drohung und unerlaubtem Waffenbesitz zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt. Rechtskräftig.

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