Monstersturm "Irma": 5,6 Millionen Menschen zu Evakuierung aufgerufen
Der Monster-Hurrikan "Irma" ist am späten Freitagabend (Ortszeit) in Kuba auf Land getroffen. Der Wirbelsturm, der wieder auf der höchsten Kategorie 5 eingestuft wurde, prallte auf das Camaguey-Archipel, wie US-Meteorologen mitteilten. In den USA wuchs indes die Nervosität, die Armee mobilisierte tausende Soldaten. 5,6 Millionen Menschen wurden in Florida zur Evakuierung aufgerufen.
Das Auge des Sturms befand sich um 05.00 Uhr MESZ etwa 190 Kilometer südöstlich der kubanischen Stadt Caibarien und etwa 480 Kilometer südöstlich von Miami im US-Bundesstaat Florida, wie das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) der USA erklärte. Am Freitag hatte "Irma" laut US-Meteorologen die Größe von Texas.
Verwüstungen
Der Wirbelsturm hatte in den vergangenen Tagen bereits auf mehreren Karibikinseln schwere Verwüstungen angerichtet und mindestens 19 Menschen getötet. Das NHC sagte voraus, dass "Irma" von Kuba aus weiter zu den Bahamas und dann nach Florida ziehen würde. Dort waren Hunderttausende Einwohner auf der Flucht vor dem auf die Südostküste der USA zurückende Monster-Hurrikan. Am Freitag hatten Floridas Gouverneur Rick Scott alle 20 Millionen Einwohner aufgerufen, sich auf eine Evakuierung vorzubereiten. Es wurde erwartet, dass der Sturm Florida am späten Samstag oder Sonntag erreicht.
Warnung vor hohen Wellen
Für die gesamte Südküste Floridas, vom Atlantik bis in den Golf von Mexiko, gilt eine Warnung vor bis zu drei Meter hohen Wellen. Nach den Vorhersagen könnte der Sturm in Richtung der Westküste Floridas abschwenken und nicht direkt über die Metropolregion Miami hinwegziehen, in der 5,5 Millionen Menschen leben. Dennoch warnten Meteorologen an beiden Küsten der Halbinsel vor orkanartigen Winden und meterhohen Sturmfluten.
Die Evakuierungsmaßnahmen wurden mancherorts dadurch erschwert, dass das Benzin knapp wurde. Das Weiße Haus zeigte sich beunruhigt. Die Regierung hob eine gesetzliche Regelung auf, wonach nur Tanker unter US-Flagge Treibstoff von einem amerikanischen Hafen zu einem anderen liefern dürfen, wie der Heimatschutzberater des Weißen Hauses, Tom Bossert, sagte. Präsident Trump appellierte an die Menschen in den betroffenen Gegenden, wachsam zu sein und auf die Empfehlungen der Behörden zu hören. "Dies ist ein Sturm mit einem absolut historischen Zerstörungspotential", erklärte er.
Modelle des Hurrikanzentrums sehen "Irmas" Zug bis hinauf nach Atlanta reichen. In seiner Folge werden Überflutungen auch an den Küsten Georgias sowie South und North Carolinas erwartet. Warnungen gelten auch für Küstenstädte wie Savannah und Charleston.
"Katia" traf auf Land
Unterdessen traf auch der Wirbelsturm "Katia" auf Land. Betroffen war die Ostküste Mexikos. Dabei schwächte sich der Sturm in der Nacht auf Samstag (Ortszeit) nach Angaben des US-Hurrikanzentrums in Miami zunächst auf Hurrikan-Kategorie eins ab. "Katia" zog von Tecolutla im Teilstaat Veracruz weiter landeinwärts in Richtung Westen und verlor weiter an Stärke.
Daraufhin wurde "Katia" als tropischer Wirbelsturm eingestuft, der Spitzen-Windgeschwindigkeiten von 70 Kilometern pro Stunde erreicht. Den Erwartungen der US-Wetterexperten zufolge könnte sich der Sturm im Laufe des Samstags auflösen. Der Region bringt "Katia" dennoch starken Regen und hohe Wellen.
In der Nacht zuvor waren Teile Mexikos bei dem schwersten Erdbeben der Region seit Jahrzehnten erschüttert worden, mindestens 61 Menschen kamen ums Leben, teilten die zuständigen Behörden in der Nacht auf Samstag mit. Laut Landwirtschaftsminister Jose Calzada wurden zudem allein in dem am stärksten betroffenen Teilstaat Oaxaca mindestens 250 Menschen verletzt.
Mitten in den Aufräumarbeiten musste sich Mexiko dann noch auf Probleme wie Erdrutsche und Überschwemmungen durch "Katia" vorbereiten.
Saint-Martin zu "zu 95 Prozent zerstört"
Die ersten Schadensbilanzen auf den betroffenen Inseln waren verheerend. Die Insel Saint-Martin sei zu "zu 95 Prozent zerstört", sagte der Präsident des französischen Teils, Daniel Gibbs. Die Insel Barbuda sei zu 95 Prozent zerstört und "kaum mehr bewohnbar", sagte der Premierminister des Zwei-Insel-Staats Antigua und Barbuda, Gaston Browne. Er bezeichnete die Insel als "Trümmerhaufen".
Sint Maarten war nach den Worten des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte wegen starker Schäden am Flughafen und am Hafen von der Außenwelt abgeschnitten. Dennoch bereitete die niederländische Luftwaffe eine Luftbrücke für Hilfsgüter vor, ebenso wie die französische Regierung. Großbritannien schickte zwei Kriegsschiffe in die Gegend, um den Opfern zu helfen.
ORF-Korrespondent: "Die Behörden nehmen das extrem ernst"
Aufatmen in Haiti
Auch der Nordosten Haitis wurde von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht. Windböen deckten Dächer ab, in der Stadt Ouanaminthe an der Grenze zur Dominikanischen Republik standen die Häuser bis zu 30 Zentimeter unter Wasser, wie der Zivilschutz mitteilte. Zwei Menschen wurden verletzt, als eine entwurzelte Kokospalme auf ihr Haus in der Nähe der Hafenstadt Cap-Haïtien stürzte.
Insgesamt sind ersten Einschätzungen von Hilfsorganisationen zufolge weniger Schäden entstanden als befürchtet. "Hätte "Irma" einen südlicheren Weg eingeschlagen, wäre es zur Katastrophe gekommen", sagte Martin van de Locht, Leiter der Internationalen Programme von World Vision.
Hurrikan könnte US-Wirtschaft treffen
Nach Vorgänger "Harvey" könnte "Irma" die Spritpreise weiter nach oben treiben und die Wirtschaft im US-Bundesstaat Florida schwer treffen. Dies schätzen Experten des internationalen Analyse- und Beratungsunternehmens Capital Economics.
Selbst wenn "Irma" wohl nicht das ölreiche Texas erreichen wird, sondern am Wochenende weiter östlich auf Land trifft, dürfte der Effekt auf die Ölpreise merklich sein, warnten die Analysten: "Da bis zu zehn Prozent der Kapazitäten in den Raffinerien am Golf noch außer Betrieb sind, wird 'Irma' mehr Aufwärtsdruck auf die Benzinpreise ausüben."
In Texas hatten die enormen Windstärken und Regenmassen von Hurrikan "Harvey" erst kürzlich Chaos angerichtet. In der dortigen Ölindustrie wurden viele Förder- und Logistikanlagen beschädigt oder mussten ihren Betrieb unterbrechen, im Golf von Mexiko waren Raffinerien zu Stilllegungen gezwungen. Die Lage entspannte sich danach ein wenig, die Benzinpreise fielen wieder leicht. Durch die Ankunft von "Irma" könnten Ölprodukte nun wegen der insgesamt verringerten Produktion aber wieder teurer werden, der Sturm wird am Markt genau beobachtet. Am Freitag hatten auch die Rohölpreise zunächst weiter zugelegt.
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