Flutwelle rollt Richtung Norden und Osten
In einigen Regionen Mitteleuropas haben die Aufräumungsarbeiten begonnen, andere kämpfen gegen die Wassermassen und vielen steht das Schlimmste noch bevor: Das Hochwasser in Mitteleuropa verlagert sich Richtung Osten und Norden und wird in den kommenden Tagen vermutlich noch zahlreiche Landstriche überfluten.
Im Süden Bayerns gehen die Pegel der Flüsse zurück. In Passau stand das Wasser nach wie vor hoch in den Straßen. Mit 11,50 Metern lag der Pegelstand der Donau am Vormittag deutlich unter dem Höchststand vom Montagabend, als 12,89 Meter gemessen wurden. Unterdessen stieg das Donauwasser im etwa 100 Kilometer weiter nördlichen Regensburg. Dort wurde eine Donauwelle mit einer Höhe von etwa 6,80 Metern in der Altstadt erwartet - so hoch stand das Wasser seit mehr als 130 Jahren nicht mehr.
Fokus auf Elbe
Im Osten Deutschlands werden in Erwartung der großen Flut Schutzmaßnahmen entlang der Flüsse getroffen. Im Bundesland Sachsen rechnet man mit dem Höchststand der Elbe, die die Wassermassen der Moldau mitbringt, die Teile von Prag überflutet hat (Details zu Tschechien siehe unten).
Im deutschen Bundesland Thüringen verschärfte sich die Situation im kleinen Ort Ziegenrück extrem: Aus einer Talsperre müssten etwa 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abgelassen werden, die Talsperre drohe sonst überzulaufen. Auch Sachsen-Anhalt stellte sich auf extremes Elbe-Hochwasser ein. Nach derzeitigen Prognosen wird am Pegel Strombrücke in Magdeburg am Donnerstag die Marke von 6,90 Metern erreicht. Normal sind knapp zwei Meter. 30.000 Sandsäcke zur Sicherung von Deichen und zum Errichten von Wällen wurden bereits gefüllt und 22.000 verbaut. Treten die Prognosen ein, wird Magdeburg mit noch größeren Wassermassen zu kämpfen haben als zur verheerenden Flut vor elf Jahren.
Wegen der angespannten Hochwassersituation in Sachsen-Anhalt fallen die Händel-Festspiele 2013 aus. Diese sollten eigentlich vom 6. bis zum 16. Juni in Halle und Umgebung mit zahlreichen internationalen Stars stattfinden. Rund 40.000 Besucher hatte man erwartet.
In Niedersachsen stellten sich die Behörden darauf ein, dass ein Rekord-Hochwasser in den kommenden Tagen die Pegelstände von 2002 an der Elbe übertreffen könnte. Am Dresdener Elbepegel wurden am Dienstagvormittag 7,37 Meter gemessen - normal sind etwa zwei Meter.
Slowake ertrunken
Im Süden der Slowakei ist in der Nacht auf Dienstag ein Mann in den Hochwasser führenden Fluss Slana gefallen und ertrunken. Unter Hinweis auf laufende Ermittlungen wollte die Polizei den Mann zunächst nicht als direktes Hochwasseropfer bezeichnen. Medien berichteten, der Unbekannte sei vermutlich alkoholisiert gewesen. In der Slowakei bereitet man sich auf die herannahende Donauflutwelle vor (Details siehe unten).
Auch in Teilen Ungarns wurde der Katastrophen-Notstand ausgerufen (siehe unten).
Angespannt bleibt die Lage in Österreich. Bilder zur Flut sowie einen Ticker zu den aktuellen Entwicklungen finden Sie hier.
Die aktuellsten Wetterprognosen finden Sie hier.
Einen Überblick über die Verkehrslage gibt es hier.
Aktuelle Streckeninformationen der ÖBB.
Das Moldau-Hochwasser hat in Prag den Höchststand erreicht. Gegen 6.00 Uhr rauschten nach Behördenangaben 3.210 Kubikmeter Wasser pro Sekunde den Fluss hinab - normal sind 150. Die Lage wurde am Dienstag weiter als sehr ernst beschrieben.
Zu einer Bedrohung für die historische Bausubstanz wurde unterdessen auch das steigende Grundwasser. Der U-Bahn-Verkehr blieb eingestellt. Die Zahl der wetterbedingten Todesfälle stieg in Tschechien seit Sonntag auf sieben: Eine Frau wurde in einem Schlosspark bei Prag von einem umstürzenden Baum erschlagen, wie die Agentur CTK meldete.
Flussabwärts war die Nervosität der Menschen groß. In Melnik am Zusammenfluss von Elbe und Moldau stehe das Wasser nur noch 60 Zentimeter unter der Deichkrone, wie das Tschechische Fernsehen berichtete. In der Industriestadt Usti (Aussig) ordneten die Behörden die Evakuierung von weiteren Wohngebieten mit rund 2.000 Einwohnern an. Dort werde am Mittwoch ein Pegelstand erwartet, der nur einen knappen Meter unter dem des "Jahrhunderthochwassers" von 2002 liegen dürfte. In fast allen Regionen Tschechiens gilt seit Sonntag der Notstand.
In der Slowakei soll die Flutwelle der Donau erst am Donnerstag eintreffen. Laut jüngsten Prognosen könnte diese höher als befürchtet sein. Der Pegel der Donau hatte in der Hauptstadt Bratislava bereits Dienstagvormittag mit 8,53 Metern die dritte Hochwasserstufe erreicht.
Einige Straßen und Uferteile der Hauptstadt wurden von der Polizei bereits gesperrt. Rund 1.000 Feuerwehrleute und über 300 Soldaten befinden sich in Bereitschaft. Noch bleibt der Donaustrom für Bewohner eine Attraktion, Hunderte Menschen beobachten den ständig steigenden Pegel.
Hochwasser-Schutzsystem wurde 2011 fertig
In Bratislava ist man zuversichtlich und glaubt, selbst für ein tausendjährliches Hochwasser gewappnet zu sein. Bereits am Montag wurden insgesamt gut zwei Kilometer mobiler Dämme aufgerichtet. Das neue Hochwasser-Schutzsystem, dass erst 2011 für 32 Millionen Euro angeschafft wurde und einem Durchfluss von 13.500 Kubikmeter pro Sekunden standhalten sollte, wird allerdings erst beim Eintreffen der Scheitelwelle seinen ersten realen Bewährungstest bestehen müssen. Der Donau-Pegel könnte dabei laut jüngsten Prognosen der Wasserwirtschafter in Bratislava den Höchststand von 2002 noch wesentlich übersteigen und bis zu 10,20 Meter erreichen.
Inzwischen haben steigende Wassermassen die einzige Zufahrtstraße zum Vorort Devin am Zusammenlauf der Donau und der March an der Grenze zu Österreich überflutet, Ersatzverkehr und Lieferungen soll jetzt von Soldaten übernommen werden. Die March in Devin hatte bereits am Montag erste Uferteile, Gärten und Keller überflutet.
Höchste Alarmbereitschaft herrscht allerdings entlang des ganzen slowakischen Abschnittes der Donau, real gefährdet sind Flussnahe Städte und Gemeinden in den Kreisen Bratislava, Nitra und Trnava bis zur Grenze mit Ungarn. Vorsorglich wird ein Teil der Wassermassen in den alten Flusslauf der Kleinen Donau umgeleitet, auch aus dem Stausee in Gabcikovo wurde Wasser abgelassen. Der Schiffverkehr auf dem slowakischen Teil der Donau wurde noch am Montagabend eingestellt.
Wegen des nun auch Ungarn bedrohenden Donau-Hochwassers hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban für Teile seines Landes den Katastrophen-Notstand ausgerufen. Die Behörden könnten 8.000 Armeesoldaten, 8.000 Katastrophenschützer, 1.400 Wasserbau-Experten und 3.600 Polizisten mobilisieren, erklärte Orban am Dienstag bei einem Besuch der Katastrophenschutz-Zentrale, die im Innenministerium eingerichtet wurde.
Die Scheitelwelle des Hochwassers dürfte am Wochenende Budapest erreichen. In mehreren Ortschaften entlang der Donau begannen die Behörden mit Vorbereitungen zur Aufstellung mobiler Schutzdämme.
Der Notstand gilt für die westungarischen Bezirke Györ und Komarom sowie für Teile des Bezirks Pest und für die an der Donau gelegenen Stadtbezirke von Budapest, meldete die staatliche Nachrichtenagentur MTI. Nach Angaben des ungarischen Botschafters in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky, wird ein 50-jährliches Hochwasser erwartet.
Kommentare