"Nein" mit vielen Fragezeichen

Proteste in Köln: Ab sofort gilt auch in Deutschland "Nein heißt Nein"
Nach dem Fall Lohfink wurde das "Nein heißt Nein" im Sexualstrafrecht verankert - jetzt herrscht Unbehagen über den "Tatort Schlafzimmer".

Das "Ja" der Abgeordneten war deutlich. Alle 601 Bundestagsmandatare stimmten am Donnerstag für die "Nein ist Nein"-Regel, für eine massive Verschärfung des Sexualstrafrechts also: Künftig ist in Deutschland nicht mehr nur Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung strafbar, sondern es reicht bereits aus, wenn der Täter sich über den Willen des Opfers hinwegsetzt. Ein "Nein", ein Weinen oder "Hör auf" ist genug.

Ein solches "Hör auf!" hat auch die Anlassgeberin eben dieses Gesetzes, das Model Gina-Lisa Lohfink, von sich gegeben, als sie – wie sie sagt – im Jahr 2012 von zwei Männern vergewaltigt worden ist. Seit der Vergewaltigungsprozess zugunsten der Angeklagten und gegen Lohfink ausgegangen ist, wurde in Deutschland über die veraltete Rechtslage diskutiert: Man habe kratzen, beißen, schreien müssen, um eine Verurteilung zu erwirken, monierten viele; wer in Schockstarre war oder gar unter Drogeneinfluss stand, wie es bei Lohfink der Fall gewesen sein dürfte, habe vor Gericht keine Chance.

Unbehagen

"Nein" mit vielen Fragezeichen
Gina-Lisa Lohfink.
Das ist mit der Verschärfung nun Geschichte. Allein: Die Neuregelung hinterlässt auch viele Fragezeichen. Bei Kritikern keimt die Angst auf, dass durch die neue Rechtslage das Schlafzimmer zum Ort des Verbrechens gestempelt wird – ein Unbehagen, das vor allem in sozialen Netzwerken und Leitartikeln formuliert wird. So fürchtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass man etwa für eine "Fehlinterpretation als Vergewaltiger bestraft werden kann"; die Zeit meint gar: "Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau am Tag danach." Auch hier dient der Fall Lohfink gern als Beispiel. Die 29-Jährige steht derzeit wegen "falscher Verdächtigung" vor Gericht, weil sie die beiden Männer zu Unrecht der Vergewaltigung bezichtigt haben soll.

Klagen aus Rache?

Dass der Paragraf Falschbeschuldigungen Tür und Tor öffne, glauben Juristen weniger – das "Nein ist Nein" schaffe das Dilemma eines Vergewaltigungsprozesses ja nicht aus der Welt. In Fällen, wo keine Gewalt angewendet wurde, stehe stets Aussage gegen Aussage – wer glaubhafter argumentiert, dem werde auch geglaubt.

Auch in Österreich ist das übrigens so. Hier gilt der "Nein ist Nein"-Grundsatz bereits seit Anfang 2016. Wer aus Rache eine Vergewaltigung erfindet, hat auch hier mit einer Verleumdungs-Klage zu rechnen, in Deutschland zudem mit Schmerzensgeldforderungen. Während Vergewaltigungsopfern nur bei massiven Verletzungen Entschädigung bekommen, sind Klagen bei Falschbeschuldigung aussichtsreich.

Strafen für Gruppen-Täter

Sorgen bereitet Juristen ohnehin eine andere Verschärfung, die nun abgesegnet wurde. Als Konsequenz aus der Kölner Silvesternacht kann nun jeder verurteilt werden, der sich an einer Gruppe beteiligt, aus der heraus sexuelle Belästigungen begangen werden. Für die Opposition ein Affront: "Niemand darf wegen einer Straftat verurteilt werden, die er selber nicht begeht", so die Grüne Renate Künast.

Der Zufall wollte es, dass parallel dazu in Köln der erste Schuldspruch wegen der Silvesterattacken gefällt wurde. Ein 20-jähriger Iraker, der zwei Frauen begrapscht hatte, wurde zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt. Er wird vermutlich einer von wenigen bleiben, die für ihre Taten ins Gefängnis gehen. Von den 21 Fällen, in denen es um versuchte oder vollendete Vergewaltigung zu Silvester geht, wird nämlich 21-mal gegen unbekannt ermittelt.

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