Gina-Lisa Lohfink: Das Nein-Symbol

Das „Team Gina Lisa“ unterstützt die 29-Jährige vor Gericht. Für viele ist sie ein Symbol, wie männliche Vorverurteilungen funktionieren
Wurde das Model vergewaltigt? Egal, wie das Urteil ausfällt: Der Fall hat Deutschland verändert.

"Nein ist nein! Du bist nicht allein!", schreit die Menge ihr hinterher.

Als Gina-Lisa Lohfink am Montag nach der Mittagspause wieder zurück ins Berliner Gerichtsgebäude geht, dorthin, wo über den Fall geurteilt wird, der seit Wochen die Schlagzeilen beherrscht, schaut sie zu Boden. Auf der einen Seite brüllt ihr ein Chor wütender, kämpferischer Demonstranten ins Ohr; auf der anderen Seite ist da eine ältere Frau, die im Vorbeigehen den Kopf schüttelt und sagt: "So ein Aufzug. Wie die aussieht mit dem Rock, da wundert einen ja gar nichts."

Es ist genau diese Trennlinie, an der die öffentliche Diskussion über den Fall läuft. Wurde die ehemalige "Germany’s next Topmodel"-Kandidatin von zwei Männern vergewaltigt, wie die einen sagen? Oder hatte Lohfink, die Trash-Ikone Deutschlands, einvernehmlichen Sex und bereute den später, wie die anderen mutmaßen?

"Nein, nein, nein"

Es sind der Rock, das Auftreten, die Optik und vor allem die Nachrede der 29-Jährigen, an denen sich hier die Geister scheiden. Lohfink, die immer gern freizügig auftrat, viel feierte und ein loses Mundwerk hat, wirft zwei Männern vor, sie im Jahr 2012 vergewaltigt zu haben; in einer Partynacht, in der sie nicht ganz bei Sinnen gewesen sei. In einem Video, das die beiden Männer angefertigt und ins Netz gestellt haben, sei dies zu sehen, sagt Lohfink: Sie sage "nein, nein, nein" und "Hör auf", das sei deutlich zu hören.

Die Männer, denen sie das vorwirft, bestreiten die Vergewaltigung. Und auch das Gericht gab ihr nicht recht; das "Nein" sei zwar zu vernehmen, hieß es, aber das reiche nicht für eine Verurteilung aus: Lohfink habe sich nicht körperlich zur Wehr gesetzt – so will es das Gesetz.

Die Folge daraus ist nun ein kurioser Rechtsstreit. Die beiden Männer werden wegen der Verbreitung des Videos verurteilt; Lohfink selbst muss aber auch auf die Anklagebank – und genau da sitzt sie an diesem Montag in Berlin: Weil sie die Männer fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt habe, soll sie 24.000 Euro Strafe zahlen.

Die Galionsfigur

Für jene, die vor dem Gericht stehen, ist Lohfink dadurch zur Galionsfigur geraten. Sie ist das "Nein-Symbol", das Gesicht jener, die schon lange ein wichtiges Anliegen vertreten: die Änderung des Sexualstrafrechts, die Implementierung des "Neins" als ausreichenden Grund, um eine Verurteilung zu erreichen. "Ich hab viele Betroffene in meinem eigenen Freundeskreis", sagt Silvia, eine der Demonstrantinnen. "Das ist eine extreme Lücke im Strafrecht", sagt die 26-Jährige, die Jus studiert hat. Weil man die Vorwürfe so schwer beweisen könne, gingen viele Opfer nicht zur Polizei, sagt sie.

Neben ihr hält eine junge Frau ein Transparent mit "Mein kurzer Rock ist keine Einladung!" hoch. Hier stehen jene, die in Lohfink eine Frau sehen, die trotz körperlicher Selbstvermarktung ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung hat; die sich dagegen wehren, dass die 29-Jährige als "sexy Party-Girl" oder "Luder" , das den Fall bewusst inszeniere, abgestempelt wird. Die anderen, die Lohfink eben das vorwerfen, sieht man auf der Straße nicht. Sie tummeln sich in den sozialen Netzen, verstecken sich hinter Pseudonymen.

Was genau in jener Nacht vorgefallen ist, hat das Gericht auch heute noch nicht geklärt. Wieder stand Aussage gegen Aussage; wieder wird die Debatte weitergehen. Eines hat sie aber zumindest schon gebracht; Das Sexualstrafrecht soll noch vor der Sommerpause geändert werden. Ab dann heißt "Nein" auch wirklich "Nein".

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