Zwangsheirat: Wie ein Löffel am Flughafen zur letzten Rettung werden kann

Zwangsheirat: Wie ein Löffel am Flughafen zur letzten Rettung werden kann
Trotz rechtlicher Verbote werden in Österreich rund 200 junge Frauen pro Jahr zwangsverheiratet. In den Sozialen Medien macht nun ein besonderer Trend auf das Thema aufmerksam – und will Betroffenen helfen.

„Wenn du nicht verreisen möchtest, weil du das Gefühl hast, dass deine Eltern dich im Ausland zurücklassen werden, dir deinen Pass abnehmen werden, oder dich gar zwangsverheiraten, dann ist das eine gute Möglichkeit, um auf dich aufmerksam zu machen“, sagt die Influencerin Rey Mani auf TikTok, während sie einen kleinen Teelöffel in die Kamera hält.

Auf diversen Social-Media-Plattformen geht aktuell der Hashtag #Löffeltrick viral, einerseits um auf das erschütternde Thema Zwangsheirat aufmerksam zu machen, andererseits soll Betroffenen ein Ausweg aus der Gewaltspirale aufgezeigt werden. Aber was hat ein einfacher Löffel mit Zwangsehen zu tun? Und wie kann das Essbesteck in letzter Sekunde zur Rettung von jungen Frauen führen? 

Besonders Schulferien sind eine gefährliche Zeit

Jedes Jahr werden laut den Vereinten Nationen rund 12 Millionen junge Frauen in Zwangsehen gedrängt – auch in Österreich bleibt diese Praxis trotz rechtlicher Verbote traurige Realität. Etwa 5.000 Frauen und Mädchen seien hierzulande von Zwangsheirat bedroht, Experten sprechen von rund 200 betroffenen jungen Frauen pro Jahr. Diese Zahlen kursieren zumindest in zahlreichen Publikationen und fanden 2021 auch in einer Aussendung des Bundeskanzleramts Erwähnung. Es handelt sich um Schätzungen, repräsentative Statistiken gibt es keine. 

Hin und wieder kommen zwar besonders aufsehenerregende Einzelfälle ans Licht, die meisten Schicksale bleiben allerdings im Verborgenen Die Frauenberatungsstelle Orient Express in Wien berichtet, dass die betroffenen Mädchen häufig aus türkischen, kosovarischen, arabischen oder armenischen Familien stammen. Besonders Schulferien sind eine gefährliche Zeit: Viele Familien reisen in ihre Heimatländer, oft mit dem Vorwand, Verwandte zu besuchen. Für manche junge Frauen endet diese Reise allerdings mit einer unfreiwilligen Hochzeit, und die Rückkehr nach Österreich bleibt aus.

Der Löffeltrick: Ein Hilferuf im letzten Moment

Menschenrechtsorganisationen wie Karma Nirvana in Großbritannien oder Orient Express in Österreich verweisen in solchen Situationen auf einen letzten Ausweg: den sogenannten Löffeltrick. Der Trick ist denkbar einfach, aber effektiv. Ein Löffel oder ein anderer Metallgegenstand, der in der Unterwäsche versteckt wird, löst bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen den Metalldetektor aus. Dadurch wird das betroffene Mädchen von den Sicherheitskräften zur Seite genommen – eine seltene Gelegenheit, um abseits der Familie auf die drohende Zwangsheirat aufmerksam zu machen. Das Flughafenpersonal ist in vielen Ländern inzwischen sensibilisiert auf solche Signale, weiß um die Bedeutung dieses Hilferufs und bietet den betroffenen Frauen diskret Unterstützung an.

Diesbezüglicher Vorreiter in Europa ist der Flughafen Göteborg in Schweden. Der zweitgrößte Flughafen des Landes legt in der Ausbildung seiner Mitarbeiter besonderen Fokus auf die Sensibilisierung für das Thema Zwangsheirat. Das dortige Personal wird intensiv geschult, um gefährdete Mädchen und Frauen frühzeitig zu identifizieren und ihnen Schutz anzubieten. Dieser Ansatz dient inzwischen vielen europäischen Flughäfen als Vorbild. Auch in Österreich wird über verstärkte Schulungen des Flughafenpersonals nachgedacht, um ähnliche Fortschritte im Schutz von Betroffenen zu erzielen. 

Prävention in Österreich

Beratungsstellen wie Orient Express in Wien oder DIVAN in Graz arbeiten intensiv daran, Zwangsehen bereits vor dem Abflug ins Ausland zu verhindern. Gibt es beispielsweise noch ein halbes Jahr Zeit bis zur geplanten Hochzeit, setzen sie auf Dialoge mit den Eltern, um eine Eskalation zu vermeiden. Ist die Familie allerdings bereits mit dem Mädchen im Ausland, wird es für die österreichischen Behörden oft schwierig, einzugreifen. 

In Österreich gibt es daher Notunterkünfte für Mädchen und Frauen, die sich entschließen, ihre Familie zu verlassen. Diese Frauen finden dort nicht nur Schutz, sondern auch psychologische und rechtliche Unterstützung. Zudem ist die Aufklärungsarbeit in Schulen von zentraler Bedeutung: Lehrer und Schulpsychologen werden regelmäßig geschult, um die Anzeichen von Zwangsheiraten frühzeitig zu erkennen.

Wenn der Trick zum Risiko wird

Dass der Löffeltrick als Präventivmaßnahme auf Social Media momentan weite Kreise zieht, mag zwar dringend benötigte Aufmerksamkeit auf das Tabuthema Zwangsheirat lenken – doch diese Popularität birgt auch Risiken. Je mehr Eltern von dieser Methode erfahren, desto größer ist die Gefahr, dass sie ihre Kinder vor dem Flughafenbesuch streng kontrollieren

Die Menschenrechtsorganisationen warnen daher davor, dass der Trick, obwohl er ein wichtiges Signal für Flughafenpersonal ist, nicht zur einzigen Maßnahme im Kampf gegen Zwangsheiraten werden darf. Dennoch bleibt der Löffel ein Symbol für den letzten Hilferuf – und in manchen Fällen könnte er genau das Werkzeug sein, das ein Leben verändert.

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