Woody-Allen-Buch: Erleichterung bei Familie, Unbehagen bei Stephen King
Woody Allen (84) gilt als ein Meister des Kinos, das ist unbestritten. An seiner Person scheiden sich hingegen die Geister. Seit den 90er-Jahren begleiten den Regisseur Missbrauchsvorwürfe. Am 7. April sollten nun in den USA die 400 Seiten starken Memoiren des Filmemachers erscheinen. Deutscher Titel: "Ganz nebenbei". Doch daraus wird nichts.
Der Verlag Hachette hatte die Autobiografie bis vor Kurzem verteidigt, nach öffentlicher Kritik und dem Streik einiger Mitarbeiter die Veröffentlichung aber zurückgezogen. Erstaunlich, denn der Gegenwind dürfte den New Yorker Verlag kaum überrascht haben.
"Was Sie schon immer über Woody Allen wissen wollten, aber nun nicht erfahren werden", könnte man die Aussicht der amerikanischen Leser nun lakonisch zusammenfassen. Wenn das Thema nicht so ernst wäre.
Missbrauchsvorwürfe
Die Vorgeschichte: 1992 trennten sich Allen und Schauspielerin Mia Farrow. Im Sorgerechtsstreit warf Farrow dem Regisseur vor, er habe sich am 4. August 1992 in seinem Landhaus in Connecticut an ihrer damals siebenjährigen Adoptivtochter Dylan Farrow vergangen. Woody Allen bestreitet dies bis heute, es steht Wort gegen Wort.
Es gab in dem Fall nie eine Anklage (was für Allens Version spricht). Es gibt aber sehr wohl ein Gerichtsurteil von 1993, das dem Regisseur "grobes Fehlverhalten" gegenüber seiner Tochter vorwirft und ein denkbar schlechtes Licht auf ihn wirft.
Adoptivsohn ruft zum Boykott auf
Allens Adoptivsohn Ronan Farrow (32) hat den Bestseller "Durchbruch: Der Weinstein-Skandal, Trump und die Folgen" geschrieben, womit er den Filmproduzenten Harvey Weinstein zu Fall brachte. Farrow ist auch der schärfste Kritiker seines Adoptivvaters und rügt Medien, die zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Allen schweigen. Und: Farrow veröffentlichte bisher bei Hachette, demselben Verlag, in dem Allens Autobiografie hätte erscheinen sollen. Aus Protest hat Farrow die Zusammenarbeit mit dem Verlag am 3. März aufgekündigt. (Den Rückzieher bei Allens Buch machte Hachette erst danach.)
Adoptivtochter Dylan Farrow (34) selbst hat ihre Vorwürfe 2018 in einem Interview mit dem TV-Sender CBS erneuert. Ein anderer Adoptivsohn, Moses Farrow (42), nahm seinen Vater dagegen in Schutz: Seine Mutter Mia habe ihre Kinder manipuliert und in eine innerfamiliäre Kampagne gegen den Regisseur getrieben.
Das gesellschaftliche Klima hat sich jedenfalls verändert: Die Vorwürfe gegen Woody Allen gibt es seit den 90er-Jahren, die Sensibilität beim Verdacht sexueller Übergriffe ist aber eine ganz andere. Proteste begleiten heute Allens Filmpremieren und Dreharbeiten, zuletzt im spanischen San Sebastián.
An der deutschen Ausgabe will der Rowohlt-Verlag festhalten. "Unklar ist, ob wir den 7. April halten können", heißt es aber auf KURIER-Anfrage mit Hinweis auf rechtliche Fragen. 15 Autorinnen und Autoren von Rowohlt stellten sich öffentlich gegen die Publikation. Sie kritisieren, dass "nach gängiger Praxis" die Fakten des Buches wahrscheinlich nicht vor Veröffentlichung geprüft wurden. Dieses Vorgehen sei "unethisch" und zeige "einen Mangel an Interesse für die Belange der Opfer sexueller Übergriffe".
Stephen Kings Unbehagen
In den USA hat Bestsellerautor Stephen King (73) den Sinneswandel des Verlags Hachette unterdessen kritisiert. Er habe "starkes Unbehagen" über den Zustand der Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten. „Es geht nicht um ihn. Herr Allen kümmert mich einen Dreck. Was mich besorgt, ist, wer wird demnächst mundtot gemacht“, schrieb der Schöpfer populärer Horrorromane auf Twitter. Und weiter: "Wenn du denkst, er sei pädophil, kauf nicht sein Buch. Geh nicht in seine Filme. Hör nicht seinen Jazz-Konzerten im Carlyle-Hotel zu. Stimme mit dem Portemonnaie ab, indem Du es geschlossen hältst. So machen wir das in Amerika."
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