Wie es sich in Europa ohne einzigen Corona-Fall lebt

Wie es sich in Europa ohne einzigen Corona-Fall lebt
Die Nordsee-Insel Neuwerk ist ein besonderer Ort. Es gibt weder Maskenpflicht noch Abstandsregeln, die Inzidenz liegt bei null.

Menschen mit Mund-Nasen-Schutz sind Steffan Griebel zuletzt vor rund drei Wochen begegnet. Dabei ist er Bürger der Stadt Hamburg, deren Vertreter vor wenigen Tagen noch von der „Notbremse“ sprachen, die sie ziehen müssten, um der Pandemie Herr zu werden.

Wenn Steffan Griebel aus seinem Fenster schaut, erkennt er „ein Leben, gefühlt wie immer“. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun, sondern mit der Tatsache, dass sein Hamburger Stadtteil rund 100 Kilometer entfernt von der Innenstadt liegt – auf Neuwerk, einer drei Quadratkilometer großen Exklave in der Nordsee.

Wer hier her will, muss einige Mühen auf sich nehmen. Zur nächsten Stadt, nach Cuxhaven, sind es bei Ebbe zu Fuß durchs Watt 2,5 Stunden, in 1,5 Stunden schafft es immerhin die Fähre – sofern sie denn fährt. Im Winter sind die Verbindungen eingestellt, bleiben die Insulaner unter sich.

In Pandemiezeiten ist das kein Nachteil. Seit Ausbruch des Coronavirus liegt der Neuwerker Inzidenzwert bei konstant null. Masken sind ebenso nicht nötig wie strikte Abstandsregeln. „Man sieht ohnehin mehr Gänse als Menschen hier“, sagt Steffan Griebel im KURIER-Gespräch.

Nur noch 25 Menschen bewohnen die Insel. Die meisten der wenigen Neuwerker sind jedoch eng mit ihrer Heimat verbunden. „Die Familie Griebel gibt es hier seit 190 Jahren.“ Er selbst betreibt ein Restaurant mit angeschlossener Unterkunft, von März bis Oktober ist die Insel ein beliebtes Ziel für Kurzurlauber. Zumindest bis 18. April müssen sie laut Verordnung noch auf Besucher warten.

Die bunt geschmückten Pferdekutschen stehen längst bereit. Die Fahrten durch das Wattenmeer sind für Touristen eine Attraktion, für die Insulaner aber eine Notwendigkeit. Dank der zwei PS schafft man es in rekordverdächtigen 60 Minuten nach Cuxhaven.

„Wirtschaftlich war der letzte Sommer okay“, sagt Griebel. Vorsichtig war man dennoch. Nur ja keine Infektion mit auf die Insel bringen, das gilt auch für die Neuwerker bei ihren Besuchen auf dem Festland. Denn im Notfall ist die nächste Arztpraxis eben auch eine gute Stunde entfernt.

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