Warum es wieder eine Klimakonferenz gibt
Am Donnerstag startet im Emirat Dubai die 28. Klimakonferenz, 80.000 Besucher werden erwartet. Zwei Wochen werden Delegierte von 197 Staaten über Ziele feilschen und Kompromisse suchen.
Zur Eröffnung kommen König Charles III. und mit Franziskus erstmals auch ein Papst.
Österreich wird bei der Eröffnung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Finanzminister Magnus Brunner vertreten sein, in der entscheidenden zweiten Woche wird Klimaministerin Leonore Gewessler Teil des EU-Verhandlerteams sein.
Aber worum geht es?
Was haben die 27 Klima- konferenzen bisher gebracht – wo stehen wir heute?
Der neueste „Emissions Gap Report“ (Lücken bei der Treibhausgas-Reduktion, Link zum Bericht auf englisch) gibt darüber schmerzlich Auskunft: „Die Welt erlebt eine verstörende Intensivierung der Klimakrise“, lautet der erste Satz. Temperaturen, Treibhausgas-Emissionen und der Anteil von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre sind alle auf Rekordhoch. Die aktuelle Klimapolitik reiche nur für eine Begrenzung der Erderhitzung auf +3 °C (für Österreich sind das +6°C) und das Umsetzen aller Ankündigungen (darunter Österreichs Klimaneutralität bis 2040) nur für 2,5 °C. Dazu kommen weltweit verheerende Wetterextreme, die, wie der Weltklimarat betont, nur ein „bescheidener Anfang“ seien.
Wo gab es denn 2023 Wetterextreme?
Im September wütete der Sturm Daniel, er gilt als bisher tödlichster Wirbelsturm im Mittelmeer mit mehr als 10.000 Toten. Rekorde brachten die Wirbelstürme Freddy im Indischen Ozean (über fünf Wochen mit bis zu 230 km/h) und Mocha (215 km/h) in Myanmar. Dann die Kältewelle in Afghanistan (–33 °C), die Hitzewelle in Nordamerika im Mai samt Waldbränden, und Überschwemmungen in Nordindien, Philippinen, São Paolo, Pakistan und Haiti. Hurrikan Otis devastierte im September Acapulco und verursachte Schäden in Höhe von 15 Milliarden Dollar.
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Und jetzt kommt die große Klimawende bei der Klimakonferenz in Dubai?
Eher nicht. Aber die Konferenz (COP, Conference of parties) wird für Überraschungen und ein paar Fortschritte gut sein – etwa durch COP-Präsident Sultan Al Jaber, der auch Minister für Industrie und CEO der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC ist – was manche zweifeln lässt, ob er der Richtige sein kann als Chef einer Klimakonferenz. Er scheint sich aber akribisch auf seinen Vorsitz vorbereitet zu haben, sogar Greenpeace gesteht ihm zu, für die COP einen „relativ fortschrittlichen Plan“ entworfen zu haben, der „auf dem Papier viele richtige und wichtige Worte findet“.
Was will Herr Al Jaber bei der COP erreichen?
Inhaltlich angekündigt hat er einen „Paradigmenwechsel“ mit konkreten Zielen, die fixiert werden sollen: eine Verdreifachung der Ökostromproduktion, eine Verdoppelung der Energieeffizienz und, was vor allem die ärmeren Staaten freut, eine Verbesserung der Finanzierung für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen. Der 2022 bei der COP 27 vereinbarte Fonds für bereits eingetretene Klimaschäden („loss and damage“) soll bald auszahlen können, Al Jaber muss aber erst klären, wer was einzahlt. Und er will die Bodenstrategien weltweit stärken, schließlich schlummert unter uns ein großes Potenzial zur Aufnahme von Kohlenstoff aus der Luft durch Pflanzen und Mikroorganismen. Und Al Jaber will von den Staaten höhere Reduktionsziele bis 2030.
Woher wollen wir wissen, wie weit die Staaten beim Klimaschutz tatsächlich sind?
2015 wurde vereinbart, dass es 2023 das erste Mal (und dann alle fünf Jahre) ein „global stocktake“ geben soll, eine globale Bestandsaufnahme über Treibhausgas-Emissionen und Klimapolitik. Dazu gab es im September einen ernüchternden UN-Bericht, wonach der Klimaschutz zu langsam und völlig unzureichend sei. Bei der COP 28 geht es also auch um die Frage, wie das 1,5-°C-Ziel am Leben gehalten werden soll.
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Sollte es bei einer Klimakonferenz nicht vor allem um ein klares Ende für alle fos- silen Energieträger gehen? Die wurden ja als Grund der Klima- krise eindeutig identifiziert.
In den vorangegangenen 27 Klimakonferenzen konnte man sich nie auf so einen Satz einigen. Das hat einerseits damit zu tun, dass Schlussdokumente von Klimakonferenzen im Konsens aller 197 Vertragsparteien gemacht werden müssen. Andererseits belief sich der weltweite Umsatz der fossilen Energieträger im Jahr 2022 auf rund 12.500 Milliarden US-Dollar (11,4 Billionen Euro). Entsprechend mächtig und finanziell potent ist der Widerstand. Ein Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist bisher nicht auf der Agenda in Dubai. Bestenfalls dürfte eine Reduktion („phasing down“) von Fossilen debattiert werden statt einem „phasing out“.
Sind Klimakonferenzen dann nicht eher sinnlos?
Es ist nun einmal die einzige internationale Konferenz, wo Vertreter aller Staaten zusammenkommen, um zu versuchen, ein globales Problem zu lösen. Aber ja, selbst die bisher erfolgreichste COP von Paris 2015, bei der sich alle Staaten verpflichteten, alles zu tun, um die Erderwärmung deutlich unter 2° C zu halten, hatte keine Verbindlichkeit und kein Enddatum für Fossile fixieren können.
Hat denn die Staaten- gemeinschaft je ein Umweltproblem gelöst?
Ja. Beim sauren Regen (Schwefelfilter und Entschwefelung) – und 1989 das „Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen“ (FCKW-Verbot).
Was ist mit neuen technischen Lösungen der Klimakrise, etwa E-Fuels?
E-Fuels sind aus grünem Wasserstoff und Kohlenstoff, der als CO2 aus der Luft gefiltert werden muss, hergestellte Kraftstoffe, die somit klimaneutral sind und einfach in der bestehenden fossilen Infrastruktur verwendet werden können. Auf den zweiten Blick ist es eine PR-Aktion der Fossilindustrie (in Österreich etwa die E-Fuel-Alliance), weil niemand die zentrale Frage beantworten kann, woher der ganze Ökostrom zur Produktion herkommen soll. Genannt wird dann immer Nordafrika (politisch instabil) oder das windreiche Argentinien (mit einer aktuellen Inflation von über 120 Prozent). Doch selbst die Grünen sagen, wir werden E-Fuels brauchen – für Schiffe und Flugzeuge, wo es bisher keine anderen klimaneutralen Antriebslösungen gibt. Aber ein genereller Ersatz der jährlich verbrauchten 4,4 Milliarden Tonnen Erdöl (15 Milliarden Liter) durch E-Fuels ist nicht vorstellbar.
Was ist mit Kohlenstoffspeicherung unter der Erde oder im Meeresgrund?
Carbon capture storage (CCS), also das Abfiltern von CO2 z. B. von Industrieanlagen und ein anschließendes Verpressen des Gases in geologische Tiefspeicher (leere Erdgasfelder), wird ein Riesenthema der COP sein. Jedes CO2-Molekül, das nicht in die Atmosphäre gelangt, ist gut – aber diese Technologie birgt auch neue Gefahren: Bleibt das CO2 unter der Erde? Kann das Verpressen Erdbeben auslösen? Kann das CO2 die Meere noch mehr versauern? Und böte CCS nicht eine Ausrede, gar keinen Klimaschutz mehr machen zu müssen? Positiver gesehen wird CCU (utilisation), wo das CO2 etwa in Baustoffe umgewandelt wird. Das alles kostet aber viel Geld.
Warum wird Klimaschutz nicht als wichtigstes Thema wahrgenommen?
Weil die schlimmsten Auswirkungen in der Zukunft liegen, die Kosten für Klimaschutz hoch sind, die Staaten noch immer eine hohe Abhängigkeit von Fossilen haben (Österreich: 65 Prozent) und die Öl-Lobbys sehr stark sind.
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