Von Indien bis Israel: So gefährlich sind (religiöse) Feste
Haridwar ist mit seinen 230.000 Einwohnern eine kleine Stadt – im Vergleich zu den Megacities Indiens. Doch alle zwölf Jahre nehmen hier Dutzende Millionen Pilger ein rituelles Bad im Ganges. Normalerweise dauert die Kumbh Mela, das größte religiöse Fest des Hinduismus, vier Monate. Wegen Corona wurde es heuer auf 30 Tage im April beschränkt, auch die Pilgerzahl war geringer.
Allerdings drängten sich am bisherigen Höhepunkt des Festes, am 14. April, immer noch gut 943.000 Menschen in Haridwar. Ohne Masken, ohne Abstand, stundenlang.
Zwei Wochen später verzeichnet Indien (1,3 Milliarden Einwohner) täglich mehr als 300.000 Neuinfektionen; vielerorts gibt es keine freien Spitalsbetten mehr. Angehörige müssen Sauerstoff und Medikamente selbst auftreiben, Krematorien sind überlastet.
Auch wenn ein großer Teil der Epidemie auf eine hochansteckende Virus-Mutante zurückzuführen ist – die Kumbh Mela hat sie sicher beschleunigt.
Neujahrsfest und Ramadan
Auch im Iran explodieren die Corona-Zahlen. Wobei in dem muslimisch dominierten Land dafür gleich zwei Feierlichkeiten verantwortlich sein dürften. Da war zum einen das Neujahrsfest (Newroz), das in der Region alljährlich ab dem 21. März groß gefeiert wird.
Obwohl schon damals die Zahlen stark angestiegen waren, verzichtete die Regierung auf einen Lockdown und ein Verbot von Reisen, um Newroz im Kreis der Familie zu feiern. Diese Periode ging fast nahtlos über in den muslimischen Fastenmonat Ramadan, der im Iran am 12. April begonnen hat. Zwar waren da schon drei Tage Verschärfungen in Kraft (geschlossene Geschäfte), doch oft trafen sich die Menschen dennoch zum abendlichen Fastenbrechen.
Hohe Dunkelziffern
Die Folgen: Lag die Sieben-Tages-Inzidenz im Iran um das Neujahrsfest bei knapp über 60 Neuinfektionen, schnellte sie bis jetzt auf 200 empor – und die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Aktuell sterben täglich mehr Menschen im Iran als zu den schlimmsten Zeiten des Krieges gegen den Irak (1980 bis 1988).
In der Türkei gilt seit Beginn des Ramadan eine Ausgangssperre ab 19 Uhr, auch wurden damals schon Beschränkungen für Reisen zwischen den Provinzen erlassen.
Die Corona-Zahlen stiegen dennoch weiter so rasant an (Sieben-Tages-Inzidenz bei 400, in Istanbul bei 850 Neuinfektionen), sodass Präsident Tayyip Erdoğan ab Donnerstag einen totalen Lockdown verhängt: Selbst nicht relevante Unternehmen müssen bis 17. Mai schließen. Ankara will mit den Maßnahmen offenbar versuchen, die Tourismussaison doch noch zu retten.
Feiern im Lockdown
Für viele Israelis ist ein Sommerurlaub bereits greifbar. Knapp 60 Prozent der 9 Mio. Menschen sind bereits gegen das Coronavirus geimpft.
Der Erfolg im Kampf gegen die Pandemie hängt aber auch mit vier harten Lockdowns zusammen. In diese fielen die meisten religiösen Feste wie Pessach oder Jom Kippur; oft waren die Lockdowns gar mit Blick auf bevorstehende Feiertage beschlossen worden.
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