Rekord-Erdbeben in Taiwan: "Es war wirklich unheimlich"

Rekord-Erdbeben in Taiwan: "Es war wirklich unheimlich"
Die Inselbewohner erlebten das stärkste Erdbeben seit 25 Jahren: Neun Tote, über 1.000 Verletzte, viele sind noch verschüttet – und doch hätte es schlimmer kommen können.

Die Katzen bemerkten es als erste. Alfie saß gerade beim Frühstück, las Mails auf seinem Laptop, als er die beiden durch die Wohnung rennen sah. Sein schwarzer Kater huschte unter das Bett, seine Katze verkroch sich im Badezimmer. Dann erst spürte auch Alfie, wie die Wohnung durchgeschüttelt wurde, als hätte eine riesige Hand das Gebäude gepackt.

Alfie hat schon viele Erdbeben erlebt, wie alle rund 23 Millionen Einwohner Taiwans. Doch noch nie in einer solchen Intensität wie am Mittwoch. Gegen acht Uhr morgens erschütterte der Meeresboden nur wenige Kilometer vor der Ostküste, das Beben erreichte auf der Insel eine Stärke von 7,2 – und war damit das heftigste seit 25 Jahren.

Alfie kam mit dem Schrecken davon, wie der Großteil der Einwohner der Hauptstadt. „Hier in Taipeh ist alles okay“, schreibt er dem KURIER. Schließlich müssten die Gebäude dort erdbebensicher gebaut sein. „Aber es war wirklich unheimlich.“ 

Schaukelnde U-Bahn-Waggons, Brücken aus Gummi

Nicht jeder hatte das Glück, zum Zeitpunkt des Bebens zu Hause zu sein. Online kursierten Videos von vollen U-Bahn-Waggons, die hin- und herschaukeln, von Brücken, die wirken, als wären sie aus Gummi, von einem Mann, der versucht, in einem Pool zu bleiben, während das Wasser um ihn herum tobt wie im Wellenbad.

Die Feuerwehr zählte eun Tote und mehr als 1.000 Verletzte. Besonders stark betroffen war die Stadt Hualien an der Ostküste: Hier stürzten Häuser teilweise ein,  2.400 Haushalte blieben ohne Strom. 48 Menschen werden vermisst. Die Halbleiterindustrie, das Herzstück der taiwanesischen Wirtschaft, stellte den Betrieb ein. 

Auch fernab der Hauptinsel zeigten sich die Folgen des Erdbebens: auf einer der bekanntesten Natursehenswürdigkeiten des Landes, der Schildkröteninsel, brachen Teile der berühmten Felsformation ab.

Taiwans scheidende Präsidentin Tsai Ing-Wen begab sich noch am Vormittag in die zentrale Notfall-Leitstelle in Neu-Taipeh, einem Vorort der Hauptstadt. Ihr gewählter Nachfolger Lai Ching-te, der das Amt im Mai antreten wird, verbrachte den Tag bei den Rettungskräften in Hualien und erklärte, die Rettung der Verschütteten habe „oberste Priorität“.

Besonders in höher gelegenen Regionen der Insel dauerten die Rettungsaktionen am Abend noch an. Wie die Feuerwehr bekannt gab, saßen rund 70 Arbeiter in einem unterirdischen Steinbruch fest. Zwei Deutsche, die mehrere Stunden in einem Tunnel verschüttet waren, konnten dagegen gerettet werden.

Nach Angaben des Außenministeriums in Wien gab es bis Mittwochmittag keine Hinweise darauf, dass österreichische Staatsbürger durch das Beben in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Man stehe mit den Behörden in Taiwan laufend in Kontakt. Unterdessen hat EU-Ratspräsident Charles Michel seitens der Europäischen Union Unterstützung angeboten. Die EU sei bereit, jede erforderliche Hilfe zu leisten.

Tsunami-Warnung: Japan und Philippinen evakuierten Küstengebiete

In Japan und den Philippinen riefen die Regierungen am Mittwoch vorübergehend Tsunami-Warnungen aus, selbst in China war das Beben zu spüren. Die dortige Sprecherin des Büros für Taiwan-Angelegenheiten bot sogar an, Katastrophenhilfe zu schicken. Ein Angebot, dass Taiwans Regierung – die von China nicht anerkannt wird – unbeantwortet ließ.

Die Insel am pazifischen Feuerring, wo gleich vier Erdplatten aufeinandertreffen, wird die Krise alleine bewältigen. 

„Wir waren super auf das Beben vorbereitet“, sagt David zum KURIER. Der Webdesigner lebt wie Alfie in Taipeh, auch ihm ist nichts passiert. Dass „nur ein paar teure Whiskeyflaschen“ zerbrochen sind, verdanke auch er dem strengen Baurecht. David sagt trotzdem: „Ich beneide euch Österreicher dafür, dass ihr nicht so bauen müsst.“

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