Seenotretter beklagen Zuweisung entfernter Häfen durch Italien

Seenotretter beklagen Zuweisung entfernter Häfen durch Italien
NGO reichen Beschwerde bei EU-Kommission ein. Seit Jahresbeginn seien 73.000 Migranten in Süditalien angekommen.

Die im Mittelmeer aktiven Seenotrettungsorganisationen SOS Humanity, Ärzte ohne Grenzen, Oxfam Italia und Emergency haben bei der EU-Kommission eine Beschwerde gegen Italiens Praxis eingereicht, den privaten Rettungsschiffen Häfen zuzuweisen, die weit vom Rettungsgebiet entfernt sind. Auf diese Weise werde das Leben der geretteten Migranten gefährdet, kritisierten die Hilfsorganisationen laut Medienangaben vom Donnerstag.

Nicht vereinbar mit EU-Recht

Die NGOs äußerten "Zweifel" über die Vereinbarkeit dieser Regel mit dem EU-Recht und der Pflicht der EU-Länder zur Rettung von Menschen auf Hoher See aufgrund des internationalen Rechts. Die privaten Seenotretter klagen seit Monaten über die Behinderung ihrer Arbeit durch die neue Strategie der italienischen Rechtsregierung.

Neuerlich für Verärgerung sorgte die Festsetzung des von der Hilfsorganisation SOS Mediterranee betriebenen Rettungsschiffes "Ocean Viking" im italienischen Hafen Civitavecchia nördlich von Rom. Der Beschluss wurde nach einer siebenstündigen Kontrolle an Bord des Schiffes gefasst, das am Mittwoch 57 im Mittelmeer gerettete Menschen an Land gebracht hatte.

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Scharfer Kurs Italiens gegen Seenotretter

Die seit Oktober regierende italienische Rechtsregierung hat den Kurs gegenüber NGOs, die im Mittelmeer Migranten aus Seenot retten, verschärft. Die Regierung wirft den Hilfsorganisationen vor, mit ihren Einsätzen das Schlepperwesen zu unterstützen. Mit einer neuen Regelung wurde die Anzahl der Rettungen pro Ausfahrt der NGO-Schiffe beschränkt. Damit soll die Zahl der Migrantenankünfte begrenzt werden. Zudem weisen die italienischen Behörden den NGO-Schiffen Landungshäfen in Norditalien zu, die mehrere Reisetage vom Rettungspunkt entfernt liegen. Argumentiert wird dies mit der Überlastung der Flüchtlingsaufnahmezentren in Süditalien.

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1.300 Menschen zu viel in Lager gepfercht

Inzwischen ist die Insel Lampedusa weiterhin mit starken Migrantenankünften konfrontiert. In der Nacht auf Donnerstag landeten 250 Personen auf der Insel. In dem sogenannten Hotspot der Insel wurden mehr als 1.700 Menschen gezählt, wie italienische Medien meldeten. Eigentlich ist das Flüchtlingslager im Inneren der Insel nur für 400 Personen auslegt.

Das italienische Marineschiff Dattilo landete am Donnerstag mit 811 Migranten an Bord im süditalienischen Hafen von Reggio Calabria. An Bord befand sich auch die Leiche eines Neugeborenen. Die Todesursache wird noch geprüft.

73.000 Migranten sind seit Jahresbeginn nach Seefahrten über das Mittelmeer in Italien eingetroffen, teilte das Innenministerium in Rom mit. Im Vergleichszeitraum 2022 waren es 31.000 gewesen. Die Überfahrten aus Tunesien und Libyen haben seit Wochenbeginn stark zugenommen. Sie seien den günstigen Wetterbedingungen zuzuschreiben, erläutern Expertinnen und Experten. Um den Hotspot auf Lampedusa zu entlasten, versuchen die Behörden, so viele Menschen wie möglich mit Fähren oder Polizeischiffen auf das Festland zu bringen. Dort sollen sie auf andere Lager verteilt werden. Rom klagt seit langem darüber, dass Italien mit den vielen "Mittelmeermigranten" von Europa allein gelassen werde.

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