Deutschland: Riesiger Hauptprozess gegen "Reichsbürger" hat begonnen

Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (M) zwischen seinen Verteidigern
Die mutmaßlichen Rädelsführer um Heinrich XIII. Prinz Reuß stehen vor Gericht. Der erste Sitzungstag startete holprig. Ein Angeklagter ist im März verstorben.

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am Dienstag mit etwa einstündiger Verspätung der riesige Hauptprozess gegen die deutsche "Reichsbürger"-Gruppe begonnen, für den das Gericht extra und "in Rekordzeit" eine Leichtbauhalle im westlichen Stadtteil Sossenheim bauen ließ. 

Im zweiten von drei Staatsschutzverfahren gegen die Gruppierung, die den gewaltsamen Umsturz der deutschen Regierung und eine Machtübernahme geplant haben soll, müssen sich die mutmaßlichen Rädelsführer verantworten: Heinrich XIII. Prinz Reuß sowie Rüdiger von Pescatore, der den militärischen Arm geleitet haben soll. 

Den meisten der insgesamt neun Angeklagten in Frankfurt wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens" vorgeworfen. Auf der Anklagebank befinden sich Ex-Bundeswehrsoldaten sowie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und frühere Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Für die Beschuldigten gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsvermutung.

Drei Großprozesse in Stuttgart, Frankfurt und München

Ende April hatte in Stuttgart der erste "Reichsbürger"-Prozess um den sogenannten militärischen Arm der Gruppe begonnen; nun folgt Frankfurt mit den mutmaßlichen Rädelsführern. 

Der erste Sitzungstag startete holprig: Die Verteidiger der Angeklagten wollten zahlreiche Anträge stellen - der Senat vertagte diese allerdings auf das Ende des Sitzungstages. Die Verlesung der Anklage begann erst am Nachmittag. Die Verteidiger von Prinz Reuß wiesen die Vorwürfe gegen ihren Mandanten am Rande des Prozesses zurück. "Er ist kein Anführer, kein Rädelsführer, und er ist auch nicht Mitglied einer terroristischen Vereinigung", sagte der Anwalt Roman von Alvensleben am Dienstag in einer Verhandlungspause in Frankfurt.

Ab August 2021 plante und bereitete sich die in Frankfurt angeklagte Gruppe laut Bundesanwaltschaft auf einen Umsturz am "Tag X" vor. Konkret hätte eine bewaffnete Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin eindringen sollen, um dort Abgeordnete des Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. Man habe bei den Plänen bewusst Tote in Kauf genommen. Für die Pläne sollen rund 500.000 Euro und ein massives Waffenarsenal zur Verfügung gestanden haben.

Strukturen für eine eigene Staatsordnung sollen in Grundzügen ausgearbeitet gewesen sein, als Staatsoberhaupt hätte Reuß fungieren sollen. Für das Ressort Justiz hätte Malsack-Winkemann zuständig sein sollen. "Reichsbürger" in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

Ein Angeklagter verstarb im März

Statt der ursprünglich zehn Angeklagten treten in Frankfurt neun mutmaßliche "Reichsbürger" vor die Richter. Norbert G. verstarb im März im Krankenhaus, wie eine Sprecherin des Oberlandesgerichts mitteilte. Den Übrigen drohen laut Gericht bis zu zehn Jahre Haft, wenn sie in einem Anklagepunkt schuldig gesprochen werden. Im Falle mehrerer Schuldsprüche und einer Gesamtstrafe stünden maximal 15 Jahre Haft zu Buche.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) meldete sich zum Prozessbeginn zu Wort. "Es ist gut, dass sich ab heute auch die mutmaßlichen Rädelsführer der bislang größten Terrorgruppe von 'Reichsbürgern' vor Gericht verantworten müssen. Die Strafprozesse an drei Oberlandesgerichten gleichzeitig haben eine neue Dimension", teilte sie mit. Es handle sich bei den Angeklagten nicht um harmlose Spinner, sondern um gefährliche Terrorverdächtige. "Unsere Sicherheitsbehörden werden ihr hartes Vorgehen fortsetzen, bis wir militante "Reichsbürger"-Strukturen vollständig offengelegt und zerschlagen haben. Keiner in dieser extremistischen Szene sollte sich sicher fühlen."

Strengste Sicherheitsvorkehrungen

Für den Ausnahmeprozess in Frankfurt gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen. Neben den neun Angeklagten werden fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter und 25 Verteidiger im Prozess dabei sein. Rund 260 Zeugen sollen geladen werden. Die Dokumente zum Prozess sind laut dem Gericht in 801 Stehordnern abgelegt.

Die Gruppe von "Reichsbürgern" war nach einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia im Dezember 2022 bekannt geworden. Es gab auch je eine Festnahme in Österreich und in Italien.

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