Verleumdungsprozesse wie jener zwischen Johnny Depp und Amber Heard seien immer doppelköpfig, sagt Medienanwalt Michael Rami – und hätten oft ein verborgenes Ziel: Es gehe nicht nur um die Klage selbst, sondern den Akteuren auch darum, ihr jeweiliges Bild in der Öffentlichkeit zurechtzurücken.
So gesehen hat Depp auf ganzer Linie gewonnen. Und er hätte sein Ziel auch erreicht, wenn er den Prozess verloren hätte, seine Klage also abgewiesen worden wäre, sagt der Medienrechtsexperte.
Der Grund: „Dadurch, dass der Prozess weltweit ausgestrahlt wurde, bekam Depp die Chance, sich vor einem Millionenpublikum als sympathischer Mann zu präsentieren, der scherzt und dem man schlimmstenfalls vorwerfen kann, manchmal ein wenig benebelt zu sein“, erklärt Rami.
Glaubwürdigkeit
Heards Bild, auf der anderen Seite, ist nach sieben Wochen Live-Gerichtsshow massiv beschädigt. Ihre Aussagen wurden von Teilen der Öffentlichkeit als gekünstelt und wenig authentisch beurteilt, in den sozialen Medien ins Lächerliche gezogen – und Schlimmeres. Auch die Jury glaubte ihr letztendlich nicht.
Heard habe bei manchen Erzählungen wohl zu dick aufgetragen, so auch der Eindruck Ramis. „Meinen Mandanten rate ich immer, nicht zu übertreiben, sondern einfach frei von der Leber zu erzählen, wie es tatsächlich war. Ein Gerichtsverfahren ist schließlich kein Test.“
Depps Anwälte hätten eine „strategische Meisterleistung“ erbracht, sagt Rami: Sie haben penibel Ungereimtheiten aufgearbeitet – auch jene, die mit dem eigentlichen Prozessgegenstand, der häuslichen Gewalt, gar nichts zu tun hatten. Es stand Aussage gegen Aussage, und am Ende entschied die Glaubwürdigkeit.
Hinter die Fassade
Dass die Weltöffentlichkeit bei so einem Prozess zuschauen kann, wäre in Österreich nicht möglich – „und das ist auch gut so“, sagt Rami. „Ein Gerichtsverfahren sollte nicht zur Show werden, weil das von der eigentlichen Sache abgelenkt.“
In Österreich hätten in so einer Causa auch keine Geschworenen, sondern ein Berufsrichter entschieden. Richter, die dafür ausgebildet sind, hinter die schauspielerische Fassade zu blicken, sich nicht von Sympathie oder Popularität der Akteure beeinflussen zu lassen.
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