Ministerin: Spaniens nächtliche Esskultur gefährdet mentale Gesundheit

Ministerin: Spaniens nächtliche Esskultur gefährdet mentale Gesundheit
Die Kritik von Arbeitsministerin Yolanda Díaz hat eine Debatte über das Nachtleben und die Arbeitszeiten in Spanien entfacht.

Wer einmal abends in Spanien essen war, weiß: Vor 22 Uhr passiert in den Restaurants nicht viel. Ab dann aber geht es rund, diniert wird bis tief in die Nacht. 

Dass das für Kellner, Köche und anderes Personal Arbeitszeiten bis spät in die Morgenstunden mit sich bringt, hat in Spanien nun aber eine massive Debatte entfacht. Seit  Arbeitsministerin Yolanda Díaz von der Linkspartei Sumar kürzlich sagte, das sei „verrückt“, „schädlich für die mentale Gesundheit“, und  andere Staaten in Europa würden das ja auch nicht machen, spricht das Land über eine Kulturtechnik, an der bisher kaum jemand gerüttelt hat: Während der Rest Europas im Bett liegt, fängt für die Spanier der Abend erst an.

„Wie in Osteuropa“

Genau das sei ja der Reiz des Landes – und ein nicht unbedeutender Tourismusfaktor, argumentierten Opposition und Gastroverbände. Díaz wolle nur, dass die Menschen „sich langweilen und zu Hause bleiben“, dass die Spanier „Puritaner, Materialisten und Sozialisten werden, ohne Seele, ohne Licht und ohne Restaurants“, sagte etwa Isabel Díaz Ayuso, die scharfzüngige, konservative Regionalpräsidentin von Madrid, die schon während der Corona-Pandemie die Bars der Hauptstadt offen hielt, obwohl die Zentralregierung ihr das untersagen wollte. 

Gastwirte-Präsident José Luis Yzuel schlug in dieselbe Kerbe:  Die linke Díaz wolle Spanien in „ein trauriges und graues Land in Osteuropa verwandeln, in dem alles geschlossen ist“.

11-Stunden-Arbeitstage in Spanien üblich

Hintergrund der Debatte ist aber weniger der typisch spanische Lebensstil, als vielmehr die rechtlichen Bedingungen, die in der  Gastronomie gelten. Schon lange führt Spanien eine intensive Diskussion darüber, dass die Arbeitszeiten nicht wie im Rest Europas am Stück gearbeitet werden, sondern  über den Tag verteilt sind. Auch wenn die Spanierinnen und Spanier im europäischen Vergleich nur etwas später aufstehen, arbeiten viele  dadurch abends deutlich länger: In keinem anderen von Eurostat erfassten Land arbeiten so viele Menschen zwischen 18 und 20 Uhr, berichtet El País.

Grund dafür ist die Siesta, die  längere und spätere Mittagspause, die letztlich auch den Arbeitstag verlängert. Die Ursprünge dafür liegen in der Franco-Zeit, in der es üblich war, vormittags in einem Betrieb und nachmittags in einem anderen zu arbeiten. So kann ein Arbeitstag bis zu elf Stunden dauern – was das Abendessen nach hinten verschiebt: Laut  Eurostat arbeiten in Spanien 6,2 Prozent der Menschen nachts, im EU-27-Durchschnitt nur 5,2.

Díaz fordert deshalb primär bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter der Gastro, in der mehrheitlich der Mindestlohn gezahlt wird, Zuschläge für Nachtarbeit sind unüblich. Sie hat dafür eine 60-köpfige Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ihr Vorstoß zahlt freilich aber auch auf eine andere Debatte ein, die in Spanien seit Langem geführt wird: Dass das Land als Tourismusdestination vom Party-Image samt billigen Getränken und Alkoholleichen weg will. Künftig will man auf Touristen setzen, die pro Urlaubstag mehr Geld ausgeben – und vielleicht auch früher ins Bett gehen.

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