Weiteres Erdbeben in Afghanistan: Hoffnung auf Überlebende schwindet

Weiteres Erdbeben in Afghanistan: Hoffnung auf Überlebende schwindet
Afghanistan wurde von einem der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten heimgesucht. Mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört.

Nach der verheerenden Erdbebenserie in Afghanistan schwindet die Hoffnung auf Rettung von Überlebenden. Jetzt hat ein weiteres Beben der Stärke 4,9 den Nordwesten des Landes erschüttert.

Das Epizentrum lag 33 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat, teilte die US-Erdbebenwarte USGS am Montag mit. Die Grenzprovinz nahe dem Iran war Samstagfrüh von mehreren Erdstößen verwüstet worden, die beiden schwersten hatten laut der US-Erdbebenwarte eine Stärke von 6,3.

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Ein Arzt in der Notaufnahme der Provinz Herat berichtete, es seien zunächst keine Verletzten gemeldet worden, das neue Beben sei aber "ziemlich intensiv" gewesen.

"Die Menschen haben in Eile ihre Häuser verlassen und Schutz in Parks, Freiflächen und Gärten gesucht", sagte er. Die Menschen stünden unter Schock und die psychische Belastung sei hoch. Viele hätten die Nacht ohnehin schon im Freien verbracht.

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Tausende Tote und Verletzte

Helfer und Ärzte, die am Wochenende in die Katastrophengebiete geeilt waren, berichteten von einem großen Ausmaß der Zerstörung. In zahlreichen Dörfern nordwestlich von Herat seien Häuser dem Erdboden gleichgemacht worden, sagten Augenzeugen am Sonntag.

Das Ministerium für Katastrophenhilfe bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag auf mehr als 2.400, weitere 2.000 Menschen seien verletzt worden. Die Zahlen konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Es wäre eines der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten in Afghanistan.

Das UNO-Nothilfebüro OCHA nannte am Sonntagabend mehr als 1.000 Tote, man gehe aber davon aus, dass die Zahl der Opfer steige, wenn abgelegene Regionen erreicht werden. Mehr als 11.000 Menschen seien von dem Erdbeben betroffen. Die Vereinten Nationen gaben am Sonntag fünf Millionen Dollar (4,7 Mio Euro) Soforthilfe frei und kündigten nach der Abschätzung des Bedarfs einen baldigen Spendenaufruf an.

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Samstagfrüh hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden bebte die Erde neunmal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Am stärksten betroffen war der Bezirk Sindadschan nordwestlich von Herat. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete.

Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung Afghanistans ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. "EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen", teilte er mit, ohne Details zu nennen.

Auch im Iran spürbar

Selbst 300 Kilometer entfernt im Nachbarland Iran wackelten am Samstag Wände und Deckenleuchten, wie Bewohner der Millionenmetropole Maschhad erzählten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.

2022 kamen bei Erdbeben mehr als 1.000 Menschen ums Leben

Die Beben wecken Erinnerungen an die verheerende Katastrophe im Sommer vergangenen Jahres, als im Osten des Landes bei einem Erdbeben der Stärke 5,9 mehr als 1.000 Menschen in den Tod gerissen wurden. Nach Jahrzehnten voller Konflikte sind viele Dörfer mit einfacher Bauweise schlecht gegen Erdbeben gerüstet.

Seit mehr als zwei Jahren sind in Afghanistan die Taliban wieder an der Macht. Das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten schwer vorankommen. Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.

Erratum: In der Erstversion dieser Meldung war zwei Minuten lang fälschlicherweise online die Rede von "Vorarlberg". Die Redaktion bedauert den Fehler.

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