Londons umstrittene Polizeichefin darf bleiben
„Niemand steht über dem Gesetz“, betonte Cressida Dick, Chefin der Londoner Polizei, auch Scotland Yard oder Met genannt, als sie kürzlich eine Überprüfung von Vorwürfen gegen Prinz Andrew ankündigte. Da eine Frau, die dem Sohn der Queen vorwirft, sie als Minderjährige missbraucht zu haben, eine US-Zivilklage eingereicht hatte, wolle man noch einmal prüfen, ob nicht Ermittlungen auf britischer Seite aufgenommen werden sollten.
Prinz Andrew ist davon gekommen
Doch die US-Klageschrift wurde von einem Met-Polizisten, der zum Security-Team der Royals in Schloss Windsor gehörte übernommen, und nicht von Prinz Andrew selbst. Andrews Anwälte sagen jertzt, sie sei damit ungültig. Und Andrew selbst weilt derzeit bei seiner Mutter auf Schloss Balmoral, wo er nicht offiziell residiert. Die Klage ist somit derzeit unzustellbar.
Dass Dicks Kommentar nicht in einer breiteren Debatte über Zukunft und Mängel der Met endete, war eine Ausnahme. Denn ob Fußball-EM oder Anti-Lockdown-Demos, die mit mehr als 32.000 Ordnungshütern und 12.900 anderen Bediensteten größte Polizeibehörde Großbritanniens, und ihre Leiterin stehen unter Dauerfeuer.
Als etwa zum EM-Finale Teile Londons im Chaos versanken, war die 60-jährige Dick „sehr stolz auf meine Beamten“. Anders die Schlagzeilen: „Polizei auf dem Prüfstand“ und „Tage ohne Met-Desaster: 0“.
Rassismus-Vorwürfe
Von Black Lives Matter-Aktivisten, die institutionellen Rassismus orten, und Oppositionspolitikern kommen immer wieder Rufe nach Dicks Rücktritt.
Kein Wunder dass es Kritik gab als die konservative britische Innenministerin Priti Patel, die bei der Besetzung der Met-Spitze auch die Meinung von Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan erwägen muss, am Freitag die Verlängerung von Dicks Vertrag um zwei Jahre ankündigte.
Die erste Karrierepolizistin an der Spitze der Met erweist sich als ehrgeizig, besonnen, zäh und direkt. Manche nennen sie deshalb „Comeback Cressida“.
Auch ihre Partnerin war Polizistin
Ein Juni-Bericht über einen seit 1987 ungeklärten Mord rügte sie und Scotland Yard. Dick, deren Partnerin auch Polizistin war, entschuldigte sich, wies aber Vorwürfe von Korruption zurück.
Schon 2005 schien die Karriere von Dick, die Land- und Forstwirtschaft an der Universität Oxford studierte, bevor sie auf Streife ging, zu Ende. Eine von ihr geleitete Einheit erschoss nach Terroranschlägen in London einen Unschuldigen. Sie bedauerte das „zutiefst“, stellte sich aber hinter ihr Team und behielt ihren Job.
Sie steht hinter ihren Leuten
Solche Rückendeckung macht sie bei Mitarbeitern beliebt. „Sie ist ganz Cop“, sagt Professor Ben Bradford, Polizeiexperte am University College London, zum KURIER. „Wie viele Kollegen sieht sie die Polizei als die schmale Linie zwischen Ordnung und Chaos“.
Ähnlich war es im März als die Met gerade bei einer Mahnwache gegen Gewalt an Frauen hart durchgriff. Dick erklärte ihr „volles Verständnis“ für die Ansammlung, betonte aber, sie sei wegen des Corona-Lockdowns „ungesetzlich“ und der Einsatz „teuflisch schwer“ gewesen. Patel und Khan waren entsetzt, sprachen Dick aber ihr Vertrauen aus.
Wenig Vertrauen in die Polizei
Laut einer YouGov-Umfrage haben nur 48 Prozent der Briten Vertrauen in die Polizei; in London sind es nur 36 Prozent. Dick, von Ex-Premier Theresa May zur „Dame“ ernannt, nennt wahrscheinlich auch deshalb die „Stärkung des Vertrauens, vor allem unter Minderheiten“, als besondere Priorität.
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